Horten-Warenhaus Vor 50 Jahren wurde der „Wabenpalast“ eröffnet
Krefeld · Das Horten-Warenhaus in der unvergessenen Kachel-Fassade war das fünftgrößte Geschäft des Unternehmens. 60 Millionen Deutsche Mark wurden investiert.
Es sind Bilder, die gerade in diesen Tagen undenkbar wären. Hunderte von Menschen umzingelten in langen Schlangen das gerade eröffnete Horten-Haus am Ostwall, um sich in einen der Eingänge zu zwängen. Und im Erdgeschoss sieht es nicht anders aus. Wie an den Eingängen eines Fußballstadions drängen sich die Menschen, um die oberen Etagen des neuen Verkaufstempels zu stürmen.
Sicherheitspersonal und Absperrungen, wie das heute üblich wäre, gibt es nicht. Mitarbeiter mit einem Megaphon versuchen die Kundenströme zu lenken. Doch die Handzeichen des Personals wirken angesichts der offensichtlich kaum zu bändigenden Massen nur hilflos.
Exakt um 8.30 Uhr am 23. April 1970 eröffnet Horten sein bis dahin fünftgrößtes Haus. Das Unternehmen investiert 60 Millionen Deutsche Mark in das markante Gebäude am Ostwall. Architektonisch typisch und unvergessen sind die markanten Horten-Kacheln, die monoton die Fassade zierten. Der Begriff des „Waben-Palastes“ war geboren.
Das Krefelder Haus war gleichzeitig die 52. Niederlassung von Horten. Auf einer Verkaufsfläche von insgesamt 14 000 Quadratmetern und fünf Etagen wurden zigtausende von Artikeln aus über 50 Ländern präsentiert. 70 Spezialabteilungen waren im Horten-Haus eingerichtet worden. 1100 Mitarbeiter zählte das Personal.
250 geladene Gäste kommen
zur Eröffnung
Am Tag nach der Eröffnung berichtete die Westdeutsche Zeitung nicht nur über den Massenansturm, sondern auch die Feierlichkeiten für einen kleineren Kreis anlässlich der Eröffnung: „Für 250 geladene Gäste gab es gestern Abend in Hortens ,Warenhaus Nummer 1 am linken Niederrhein’ eine kleine und zwanglose Eröffnungsfeier. Vorstandsmitglied Fritz Seydaack dankte für die Objektivität und Aufgeschlossenheit, mit der Stadt und Behörden den Anliegen seiner Gesellschaft stets begegnet seien.“ Bürgermeister Horst Jöbges bezeichnete das neue Warenhaus als „städtebaulich bedeutsamstes Bauwerk der letzten Jahre in Krefeld“. Ein „Stück Stadtsanierung“ habe damit einen Anfang genommen. Und er erinnerte daran, dass mit Prof. Hentrich das Warenhaus ein Sohn des Mannes entworfen habe, der den Rheinhafen gebaut und damit den Zugang Krefelds zur industriellen Hochblüte geöffnet habe.
Eine Hochblüte stand auch dem Haus bevor. Schon ein Jahr nach der Eröffnung krachten die Sektkorken erneut anlässlich der Verkaufszahlen: In den zwölf Monaten nach dem 23. April 1970 kamen rund sieben Millionen Besucher in das Krefelder Horten-Haus. Und sie kauften Waren für insgesamt 70 Millionen Mark. Zum 20. Geburtstag des Hauses, an dem Oberbürgermeister Willi Wahl die Torte anschneiden durfte, lasen sich die Zahlen so: 1,4 Milliarden Deutsche Mark waren umgesetzt worden.
1995 wurde das erste große Jubiläum gefeiert. Das „25-Jährige“ stand aber unter einem anderen Namen im Hintergrund. In der Zwischenzeit war die Krefelder Horten-Filiale durch die Kaufhof-Holding übernommen worden. Gefeiert wurde trotzdem, und zwar mehrere Tage: Vom 20. April bis zum 4. Mai gab es Super-Angebote, viele Aktionen und Attraktionen.
Um viel Geld ging es auch in den Jahren danach. Am 4. November 1998 wurde nach einer sechsmonatigen Umbauphase „Neueröffnung“ gefeiert. Auch darüber berichtete damals die Westdeutsche Zeitung: „Horten ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Nach einer sechsmonatigen Umbauphase und Investitionen in Höhe von rund 1,75 Millionen Mark mit 7000 Quadratmetern Laminatboden, 2300 neuen Leuchtstoffröhren, unzähligen Eimern vanillegelber Wandfarbe sowie neuen Markenshops (...) präsentiert sich das Warenhaus auf der Rheinstraße jetzt auf Hochglanz.“
Während die Eigentumsverhältnisse im Hintergrund schon zu einem früheren Zeitpunkt gewechselt waren, kam im Jahr 2004 tatsächlich ein neuer Schriftzug ans Haus. „Ab morgen gibt es Horten nicht mehr“, hieß es in der WZ vom 18. Mai. „Dennoch müssen die Verbraucher nicht auf die 150 000 Artikel verzichten.“ Horten wurde in Kaufhof am Ostwall umbenannt. Nach 35 Jahren ging damit eine Ära in ganz Deutschland zu Ende.
Ende Juni 2010 gibt Kaufhof
das Haus auf
Doch auch die Kaufhof-Geschichte währte an dieser Stelle der Stadt nicht mehr lange. Schon fünf Jahre später gab es das endgültige Aus des Hauses. „Die Geschäftsführung der Galeria Kaufhof GmbH hat mit Zustimmung des Aufsichtsrates entschieden, die Filiale Krefeld, Ostwall 170-180, mit Auslaufen des Mietvertrages Ende Juni 2010 aufzugeben. Mit der Galeria Kaufhof in der Hochstraße wird das Unternehmen auch weiterhin in Krefeld vertreten sein“, hieß es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Und ganz anders klangen darin nun auch die wirtschaftlichen Bewertungen, die in den ersten Jahren so euphorisch gefeiert wurden. „Wir sehen langfristig keine Perspektive, die Filiale profitabel zu betreiben.“
Noch ein Ende gab es. Im März 2012 stand mit erneuten Umbauarbeiten und dem neuen Hauptmieter Primark fest, dass auch die markante Fassade verschwinden wird.