Das sagen Naturschützer Igel auf Roter Liste: Wie kann die Tierart gerettet werden?

Interview | Krefeld · Vor Tier des Jahres auf die Rote Liste der potenziell gefährdeten Arten: Der Igel ist in Gefahr. Doch wie könnte eine Rettung aussehen? Eine Nabu-Sprecherin erklärt es im Interview.

In milden Wintermonaten verzögert sich inzwischen bei Igeln der Winterschlaf. Nur bei gesunden Tieren ist das unproblematisch .

Foto: dpa-tmn/Karl-Josef Hildenbrand

Der europäische Igel wurde zum Tier des Jahres 2024 gewählt. Im gleichen Jahr stufte ihn die internationale Union für Naturschutz (IUCN) als potenziell gefährdete Art ein. Die WZ sprach mit Birgit Königs vom Nabu NRW über die Ursachen und Lösungen.

Frau Königs, der Igel ist Tier des Jahres 2024 und steht auf der Roten Liste des IUCN. Was bedeutet das?

Königs: Die Wahl des Igels zum Tier des Jahres soll ein dringendes Warnsignal sein: Diese Tierart ist in ernster Gefahr. Die Einstufung als potenziell gefährdete Art auf der internationalen Roten Liste bedeutet, dass der Igel ohne gezielte Schutzmaßnahmen im Bestand vermutlich weiter abnehmen wird.

Birgit Königs ist die Pressesprecherin des Nabu NRW.

Foto: Isabel Ferjani/ISABEL FERJANI

Wo liegen die Hauptprobleme?

Königs: Igel legen nachts auf Nahrungssuche bis zu drei Kilometer zurück, doch Straßen, Bebauung, Zäune und Mauern versperren ihnen häufig den Weg zu Grünflächen. Für Igel ist die Landschaft daher zu einem regelrechten Hindernisparcours geworden. Ein erwachsener Igel frisst bis zu 300 Gramm Insekten, Larven, Würmer, Spinnen und Schnecken pro Nacht. Auf mit Pestiziden belasteten oder dicht bebauten Flächen ist dieses Nahrungsangebot jedoch kaum mehr vorhanden. Auch fehlen Unterschlupf- und Rückzugsräume.

Wie hoch ist die Sterblichkeit?

Königs: Etwa 80 Prozent der Jungtiere überleben das erste Jahr nicht. Neben natürlichen Feinden, Parasiten und Krankheiten stellen Straßenverkehr und Mähroboter große Gefahren dar. Problematisch sind zudem die durchgehenden Betonleitplanken an Autobahnen. Igel, die bis zur Fahrbahnmitte gelangen, finden dort keinen Ausweg mehr. Bei Gefahr rollen sie sich ein – eine erfolgreiche Verteidigung gegen Füchse, jedoch ein Todesurteil bei herannahenden Autos. In Igelnothilfen werden zudem immer mehr Tiere abgegeben, die durch Mähroboter schwer verletzt oder verstümmelt wurden und häufig eingeschläfert werden müssen. Der Nabu fordert daher ein Verbot für den Einsatz von Mährobotern zumindest in den Nachtstunden.

Welche politischen Maßnahmen wären notwendig?

Königs: Die rechtlichen Grundlagen für den Igelschutz sind vorhanden, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Jedoch fehlt es an einer konsequenten Umsetzung. Oft werden Mittel für andere Prioritäten eingesetzt. Kommunen sollten vorhandene Auflagen für Grünflächen in Neubaugebieten nicht nur beschließen, sondern auch durchsetzen. Kommunen können bestehende Schottergärten zurückbauen lassen und die Anlage neuer Schottergärten unterbinden. Grünkorridore und die Vernetzung von Grünflächen müssen feste Bestandteile jeder Stadtplanung sein. Zudem ist es dringend notwendig, die fortschreitende Flächenversiegelung durch Betonierung und Bebauung deutlich einzuschränken. Besonders schädliche Pestizide und Insektizide müssen verboten werden.

Gibt es positive Beispiele für Igelschutz auf kommunaler Ebene?

Königs: Ja, die Stadt Köln hat den Einsatz von Mährobotern in der Dämmerung und Nacht verboten, was die Zahl der dadurch verletzten Igel erheblich reduziert hat. Damit ist Köln ein Vorbild für andere. (Anmerkung der Redaktion: In Krefeld ist der Einsatz von Mährobotern bislang nicht verboten, aber die Stadt weist darauf hin, dass er nicht nachts zum Einsatz kommen sollte. Außerdem wurde jetzt entschieden, dass der Einsatz in Kleingartenanlagen verboten wird.)

Was können Privatpersonen tun?

Königs: Weniger ist mehr! Ein typischer „aufgeräumter“ Garten ist für Igel lebensfeindlich. In einem Garten, in dem jedes Blatt entfernt und der Rasen wie ein Golfplatz gehalten wird, finden Igel weder Nahrung noch Unterschlupf. Private Gärten können jedoch wichtige Rückzugsorte sein: Wilde Ecken, Laub- und Reisighaufen bieten Schlafplätze, und ein nicht zu kurz gemähter Rasen ohne Pestizide lockt Insekten an, die Hauptnahrung der Igel. Zudem sollten Durchschlüpfe in Zäunen und Mauern vorhanden sein, mindestens 13 mal 13 Zentimeter groß. Wer hungrige Igel im Garten entdeckt, kann ihnen mit Katzentrockenfutter oder speziellem Igelfutter helfen, aber niemals Milch geben. Mit etwas Glück sorgt bald Igelnachwuchs für Leben im heimischen Garten. So ist der Mensch Igelretter und der Igel kann gerettet werden.