Angekommen in Krefeld Interview: Wunsch nach Sicherheit besiegt die Angst
Zainab S. ist aus Aleppo allein nach Deutschland geflohen. Sie erzählt von den Gründen und ihren Hoffnungen für die Zukunft.
Krefeld. Für Zainab S. hat das Wort Sicherheit eine große Bedeutung. Die 28-jährige Syrerin ist im vergangenen Sommer vor dem Krieg und der Verfolgung in ihrem Land geflohen. Wie Hundertausende andere ihrer Landsleute. Ihre Heimatstadt Aleppo ist seit 2012 hart umkämpft. Unzählige Bomben und Bodenkämpfe der verschiedenen Bürgerkriegsgruppen haben die strategisch wichtige Stadt dem Erdboden gleichgemacht.
Deshalb hat sich diese junge Frau alleine über die Balkan-Route auf den Weg nach Deutschland aufgemacht. Wenn sie von Sicherheit spricht, bekommt das für ihre Gesprächspartnerin ebenso wie die Besucher der Ausstellung „20 Gesichter — Angekommen in Krefeld“ in der VHS noch mal eine tiefere Bedeutung. Zainab ist eine der dort 20 porträtierten Flüchtlinge.
Wieso haben Sie die Gefahren der Flucht auf sich genommen?
Zainab: Ich hatte große Angst vor dem Krieg und der Instabilität in meinem Land. Ich habe in den vergangenen Jahren ständig mit meiner Familie den Platz gewechselt, immer auf der Flucht. Erst innerhalb von Syrien, dann nach Ägypten. Dort waren wir auch nicht sicher. Deshalb sind wir in die Türkei gegangen. Ich hatte dort jedoch nichts, um dort bleiben zu können, nichts für eine eigene erfolgreiche Zukunft. Hier bin ich sicher und hier kann ich meine Ausbildung fortsetzen.
Welche Ausbildung haben Sie?
Zainab: Ich habe Wirtschaft studiert an der Universität und mein Diplom als Abschluss. Arbeiten konnte ich nicht, weil wir dann Syrien verlassen mussten.
Auf welchem Weg sind Sie nach Krefeld gekommen?
Zainab: Von der Türkei aus bin ich über das Meer nach Griechenland geflohen und weiter über Mazedonien, Serbien, Ungarn nach Österreich. In Deutschland bin ich am 8. August 2015 angekommen.
Ist dieser Route nicht gefährlich für eine alleinreisende, junge und hübsche Frau?
Zainab: Gefährlich? Ja! Aber für meine Zukunft und einen sicheren Ort habe ich das auf mich genommen. Ich habe unterwegs Freunde gefunden, die mir geholfen haben.
Seit wann sind Sie in Krefeld?
Zainab: Seit dem 20. August. Zunächst habe ich drei Monate in einem Heim am Siemesdyk gewohnt. Dort hat man mir geholfen, ein eigenes Appartement zu finden. Seit dem 1. Dezember wohne ich jetzt in Hüls.
Welchen Aufenthaltsstatus haben Sie?
Zainab: Ich habe Anfang Februar in Düsseldorf die Anhörung für mein Asylverfahren gehabt und zunächst eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate erhalten. Danach bekomme ich befristet für drei Jahre den Aufenthaltsstatus.
Möchten Sie in Deutschland bleiben?
Zainab: Ja. Es ist ein sicherer Ort für mich und ich kann meine Ausbildung fortsetzen. Ich würde gerne meinen Master machen. Doch zunächst will ich Deutsch lernen. Ich bin jetzt im Aufbaukurs der VHS und verstehe schon die deutsche Sprache, aber ich spreche sie noch nicht. Ich mag es aber, Sprachen zu erlernen, und spreche schon Arabisch, Türkisch, Kurdisch und Englisch. Sprache ist der Schlüssel für ein neues Leben.
Fühlen Sie sich willkommen und sicher hier in Krefeld?
Zainab: Ja, ich fühle mich sicher hier. So viele Leute hier sind so freundlich. Ich habe zum Beispiel eine ältere Nachbarin, die sehr nett ist. Mit ihr bin ich am 24. Dezember zum Gottesdienst in die Kirche gegangen. Gott ist für uns alle da, ganz gleich ob Christ oder Moslem. (Und im Hinblick auf die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland schiebt sie hinterher.) Und Moslem zu sein ist nicht schlecht, genauso wenig wie ein Deutscher. Überall gibt es gute und schlechte Menschen, unabhängig von ihrem religiösen Glauben und ihrer Herkunft.
Was fehlt Ihnen hier in Deutschland am meisten?
Zainab: Meine Erinnerungen, meine Familie, Nachbarn und Freunde, durch die unzerstörten Straßen von Aleppo zu gehen und das Meer.
Wie leben Sie derzeit hier?
Zainab: Ich lerne viermal die Woche bis drei Uhr nachmittags Deutsch. Das ist eine schwierige Sprache. Wir haben nicht den Akzent. Außerdem gehe ich derzeit jeden Morgen in den katholischen Kindergarten St. Marien, um dort mit den Kindern zu spielen. Die Kinder freuen sich auf mich und fragen inzwischen schon: Wo ist Zainab, wenn ich wegen Kopfschmerzen mal nicht komme. Und ich lerne Deutsch von und mit ihnen.
Wo sehen Sie sich in fünf bis zehn Jahren?
Zainab: Hier in Deutschland, mit einem guten Job, einem guten und sicheren Leben und einer Ausbildung auf hohem Niveau. Dazu brauche ich aber auch die Hilfe anderer. Vor allem der Anfang in Deutschland ist schwer. Alles ist für mich und meine Landleute neu hier: die Sprache, die Regeln, das Miteinander, die Menschen. (Sie sagt es und lacht. Denn ihr warmes, herzliches Lachen hat sie nicht verloren.)