Porträt Der Glaube treibt Uwe Ortsmanns an

Der 49-jährige Krefelder geht trotz einer Behinderung auf Pilgerreise und wandert im Oktober einen der Jakobswege über 260 Kilometer — alleine ist er nicht

 Jürgen Kamps (rechts) mit Uwe Ortmanns am Tempel im Kaiser-Friedrich-Hain an der Leyentalstraße, gemeinsam gehen sie auf Pilgerreise.

Jürgen Kamps (rechts) mit Uwe Ortmanns am Tempel im Kaiser-Friedrich-Hain an der Leyentalstraße, gemeinsam gehen sie auf Pilgerreise.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Das mit dem Glauben ist für Uwe Ortmanns eine klare Sache. Ein einschneidendes Erlebnis war der Ursprung. Als er ein Kleinkind war, verunglückte er mit seinen Eltern bei einem schweren Autounfall in Frankreich. Die Familie überlebte. Und der mittlerweile 49-Jährige ist fest davon überzeugt, dass eben eine höhere Macht ihnen das Leben gerettet hat. Den Gottesdient in St. Dionysius besucht er bis heute jeden Freitag. Der Katholik und frühere Messdiener hat immer Kraft aus seinem ausgeprägten Glauben gezogen, immer wenn das Leben mal Herausforderungen für ihn bereithielt. „Der Glaube hat mich immer weitergebracht. Ich sage immer: Niemals aufgeben“, erzählt Uwe Ortmanns.

Ihm fällt da bei der Sache gleich eine Anekdote aus den Erzählungen des Barons von Münchhausen ein, dessen Lügengeschichten weltweit bekannt sind. Sich am eigenen Schopfe selbst aus dem Sumpf ziehen, das habe Uwe Ortmanns eben auch irgendwie geschafft. Nun hat der Krefelder Großes vor. Ab dem 8. Oktober will er einen der vielen möglichen Jakobswege wandern. Eine Pilgerreise von der portugiesischen Hafenstadt Porto bis ins spanische Santiago de Compostela, zum vermeintlichen Grab des Apostels Jakob. Zwölf Tage, 260 Kilometer zu Fuß, entlang der Küste bis nach Galicien.

Alleine wird er dabei aber nicht unterwegs sein. Uwe Ortmanns hat eine leichte geistige Behinderung, hat Schwierigkeiten mit den Kulturtechniken. Das Rechnen, Lesen und Schreiben fällt ihm schwer. Er wird daher seit 23 Jahren in der Dr.-Ulrich-Lange-Stiftung von Jochen Kamps im Alltag unterstützt, der ihn auch auf dem weiten Weg begleiten wird. Eine ganz neue Erfahrung wartet auf Uwe Ortmanns: „Das ist mir sehr wichtig auch wegen meines Glaubens“, erzählt er der WZ. „Andere haben mir schon davon berichtet, alle schwärmen davon.“ Auch der Film „Ich bin dann mal weg“ des Komikers Hape Kerkeling eben über diese Pilgerfahrt und den Weg zum inneren Frieden habe ihn dazu bewogen, die Reise zu unternehmen. „Ich bin ich Fan von ihm.“

Die Natur, die Landschaft, die neuen Eindrücke, die neue Kultur. All darauf freut sich der 49-Jährige. „Mal ein bisschen aus Krefeld wegkommen“, sagt er. Urlaube und Reisen sind für jemanden wie ihn äußerst seltene Ereignisse. Ohne die Betreuung und Begleitung findet er sich nur schwer zurecht. Im Heilpädagogischen Zentrum in Fichtenhain, wo Ortmanns heute im Bistro arbeitet, zählt man auf den Mann, der in Kempen zur Welt kam und in Willich-Anrath aufwuchs, ehe er nach Krefeld umsiedelte. „Er ist ein sehr wertvoller Mitarbeiter“, sagt Jochen Kamps über ihn.

Eine Lebenskrise während der Corona-Pandemie ließ Ortmanns seelisch abstürzen. Der Verlust der Sportfreunde wog schwer, als die Kontaktbeschränkungen in Kraft traten. Ein Bruch in seinem Leben. Der frühere passionierte Marathonläufer – Uwe Ortmanns nahm unter anderem an Wettkämpfen in New York, Istanbul, Berlin und Düsseldorf teil – kam nicht mehr viel raus. Vor der Pandemie hatten ihn seine Sportkollegen überall mit hingenommen. Auf einmal aber war er ganz allein in seiner Wohnung. Auch arbeiten konnte der frühere Landschaftsgärtner damals nicht mehr. Eine große seelische Belastung, die er aber überstand, ohne zur Flasche oder Drogen zu greifen. „Er hat sich dann einen Therapeuten gesucht. Da war ich verdammt stolz auf den Kerl“, sagt Kamps. Am eigenen Schopfe quasi aus dem Sumpf gezogen, um es mit Münchhausens Worten zu sagen. „Die Situation hat mir dann den Anstoß gegeben.“ Ein neues Ziel. Eine neue Motivation. Er begann zu wandern.

Die Vorbereitung auf die Pilgerreise läuft seit mehreren Monaten. Die Idee ist schon etwas älter. Das Geld sammelten Ortmanns und Kamps mit Verkäufen auf Trödelmärkten. Allerlei Stücke aus der Sammlung des 49-Jährigen wurde so zu Münzen und Scheinen gemacht, um das Abenteuer zu realisieren samt Flügen, Unterkunft und Verpflegung. Vier Märkte haben die Beiden seit April besucht. Ein Weiterer soll noch Anfang Oktober folgen, ehe es in Düsseldorf in den Flieger Richtung Portugal geht. Längere Wanderungen standen außerdem in den vergangenen Monaten auf der Agenda. Pro Strecke 25 Kilometer mit einem acht Kilogramm schweren Rucksack. Etwa das wird die beiden Männer auch auf dem Pilgerweg erwarten, um das Pensum zu schaffen.

Der Sport ist immer noch ein großes Thema. Das sieht man Uwe Ortmanns‘ Statur an. Doch mittlerweile steigt er lieber aufs Rad in der Freizeit. Alleine durchs Leben gehen will der Krefelder aber nicht mehr: „Ich suche die passende Frau, mit der man etwas zusammen erleben, Gespräche führen und Erfahrungen teilen kann.“ Vielleicht trifft er sie ja auf dem Jakobsweg, dem Pfad der Gläubigen.