Krefeld - die betagte Stadt der Radler

Seit 20 Jahren ist Krefeld Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft radfreundlicher Städte. Heute hinkt sie hinter Entwicklungen her.

Krefeld. „Krefeld ist auf dem Weg zu einer Stadt der Radler.“ So lautete vor 20 Jahren noch das Fazit einer Kommission mit Vertretern des Landes und des Verkehrsministeriums, die sich die Mühe gemacht hatten, per Zweirad die damaligen Neuerungen zu erkunden.

In der Tat brachten die 1990er Jahre geradezu einen Quantensprung in Sachen Krefelder Radverkehr. Da wurden Einbahnstraßen geöffnet, vorgezogene Aufstellflächen aufgepinselt und Fahrradstraßen eingerichtet. Allein im Jahr 1992 waren im Tiefbauprogramm 4,3 Millionen Mark vorgesehen. „Das waren Highlights, die zur Durchlässigkeit der Innenstadt beigetragen haben“, lobt auch Andreas Domanski, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Krefeld.

„Zum Beispiel mit Tempo 30 war Krefeld in den 90ern federführend“, erinnert sich Michael Hülsmann, im Tiefbauamt mit halber Stelle für den Radverkehr zuständig. „Doch wir ruhen uns auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus“, gibt er zu. So spotten heutzutage viele Krefelder Radwege jeder Beschreibung. Der ADFC hat gerade erst wieder eine Mängelliste vorgestellt. Neun Abschnitte werden da sogar als sicherheitsrelevante, großflächige Mängel eingestuft.

Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS), deren Gründungsmitglied Krefeld ist, setzt ohnehin mittlerweile auf neue Denkmuster. „Das, was damals in Krefeld passiert ist, entspricht der Nahmobilität der ersten Generation“, sagt Christine Fuchs, Geschäftsführerin der AGFS. Sprich: Dem Radler wurde nach den autoverliebten Jahrzehnten zuvor wieder ein bisschen Platz eingeräumt. Es folgte die Wiederentdeckung des Fußgängers, der seit zehn Jahren eigentlich ebenfalls in den Namen der AGFS aufgenommen wurde.

Nun setzt die Arbeitsgemeinschaft auf die Nahmobilität der Zukunft. Angesichts in Blech und Feinstaub erstickender Großstädte ist es das Ziel, den Anteil der Radler und Fußgänger am Stadtverkehr auf 60 Prozent anzuheben. „Doch dafür müssen wir auch die Infrastruktur vorhalten“, betont Fuchs. Nur dann werden mehr Menschen auf gesundheitsbewusste Bewegung umsteigen, wenn es sicher und komfortabel ist, was breite, schnelle Wege möglichst mit Vorrang bedeuten würde.

Wer sich da die Krefelder Situation vor Augen führt, merkt rasch: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst die damaligen Errungenschaften wie Fahrradstraßen, Alltagsrouten und markierte Radstreifen sind teils in die Jahre gekommen. Viele Radwege entsprechen längst nicht mehr den heutzutage geltenden Vorschriften. „Dass es in Krefeld ein Problem mit der Radinfrastruktur gibt, ist bekannt“, räumt Hülsmann ein. Doch der Querschnitt der Wege könne nicht beliebig verbreitert werden. Da entstehe oftmals auch neues Konfliktpotenzial. „Was machen wir zum Beispiel mit den parkenden Autos?“, fragt Hülsmann. Fuchs’ Meinung dazu ist deutlich: „Es kann nicht sein, dass der parkende Verkehr Vorrang hat gegenüber Radlern und Fußgängern.“ Sie denkt dabei etwa an Quartiersgaragen.

Eine Stadt, die sich künftig weiter als fahrradfreundlich positionieren möchte, müsste sich also neu aufstellen — auch mit einer politischen Zielsetzung. Doch selbst einen Verkehrsentwicklungsplan gibt es gar nicht erst. Fuchs setzt darauf, mit der Politik und den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Anfang des kommenden Jahres möchte sie in Krefeld ein Politikforum in Krefeld ausrichten. So muss sich die Stadt 2014 ohnehin einer erneuten Überprüfung der AGFS unterziehen. „Das wird alle sieben Jahre neu bewertet“, bestätigt Fuchs. Unter anderem müssen exemplarisch positive Beispiele vorgewiesen werden, ansonsten droht der Ausschluss. Da hilft auch nicht, dass Krefeld Sitz der Arbeitsgemeinschaft ist.