Fehl- oder Totgeburten Eltern sind nach Verlust eines Sternenkindes nicht allein

Krefeld · Trotz medizinischer Fortschritte werden in NRW jedes Jahr etwa 800 Kinder tot geboren. Im Kreis Viersen jedes Siebte von 100. Doch in der Öffentlichkeit wird wenig über verwaiste Eltern gesprochen. Donum vitae will das ändern und bietet Trauerbegleitung an. Lilia Luft hat das sehr geholfen.

Für Sternenkinder gibt es auf dem Hauptfriedhof in Krefeld eine eigene Begräbnisstelle, doch auch private Grabstätten sind möglich.

Foto: Andreas Bischof

Glück und Leid liegen manchmal im Leben eng beieinander. Lilia Luft war im April vor einem Jahr mit ihrem Mann Waldemar überglücklich darüber, dass der Schwangerschaftstest positiv war. Zwei Krebserkrankungen hatte die 38-Jährige durchlebt und die Ärzte wollten ihr nach den Chemotherapien Glauben machen, sie könne kein zweites Kind mehr bekommen. Nun war sie schwanger.  Ihr damals fünfjähriger Sohn war einen Tag lang nicht von der Ankündigung begeistert. Tags darauf freute jedoch auch er sich auf ein Geschwisterchen. „Wir haben die Zeit gemeinsam sehr genossen“, erzählt Lila Luft im Rückblick. Bis zum 16. November. An dem Tag verlor sie ohne Vorwarnung ihren ungeborenen zweiten Sohn in der 34. Schwangerschaftswoche.

Auf den Verlust folgte ein großes schwarzes Loch

Dass sie heute darüber unter Tränen dennoch sprechen kann, hat viel mit ihrem Mann und mit Bärbel Backhaus von der Schwangerenberatungsstelle donum vitae zu tun. Sechs Tage vor dem Wendepunkt in ihrem Leben hatte der Corona-Test bei ihr positiv angeschlagen. Außer einem Husten spürte sie nichts davon, alle Voruntersuchungen während der Schwangerschaft waren unauffällig gewesen. Doch an dem Morgen machte ihr Kreislauf schlapp und sie spürte, dass etwas nicht mehr in Ordnung war. Sie fuhr zu ihrem Frauenarzt. „Der hat sofort einen Krankenwagen gerufen wegen Verdachts auf Placenta-Ablösung“, erzählt Lilia Luft unter Tränen. Der Ultraschall im Klinikum bestätigte das, Anzeichen für irgendeine Infektion gab es nicht. „Auch hatte ich keinerlei Blutungen gehabt.“

In ihrem Schmerz fiel sie in ein tiefes schwarzes Loch. Trotz einer inzwischen auch bei ihrem Mann festgestellten Corona-Erkrankung durfte er auf Intervention der Schwiegereltern für die kommenden Tage zu ihr aufs Krankenzimmer. „Ganz allein in solch einer Situation zu sein, wäre unmöglich gewesen“, sagt seine Frau dankbar. Er ist es, der ihre Not sofort erkennt und sie liebevoll und doch bestimmt auffordert, Kontakt zu einer Trauerbegleiterin aufzunehmen. „Ansonsten wäre ich heute vermutlich nicht hier“, sagt Lilia Luft leise und spricht offen aus, was so viele verwaiste Mütter und Väter oftmals allein durchleben.

Lilia Luft schrieb drei Mails an entsprechende Stellen, donum vitae und eine Hebamme antworteten innerhalb eines Tages und boten sofort Hilfe an. Wenige Tage später saß sie schon Bärbel Backhaus persönlich gegenüber. „Ich habe mich trotz des ganzen Schmerzes dabei wohlgefühlt, war erleichtert, darüber reden zu können, das hat mir sehr geholfen“, beschreibt sie die Tage und Wochen danach. Auch ihr Mann nimmt an Gesprächen teil.

Bärbel Backhaus ist zertifizierte Trauerbegleiterin. „Ich selber bin nicht in akuter Trauer, ich halte das aus, was die Eltern durchleben und stehe ihnen bei“, beschreibt sie ihre Aufgabe. Es sei sehr wichtig, die hochkommenden Gefühle zuzulassen, ob Wut, ob Trauer. „Trauer wird nur durch Trauern gut.“ Nicht durch Verdrängen oder Leugnen. Sie hilft,  nach eigenen Ressourcen zu schauen, was einem in schwierigen Momenten guttun könne.

Die wenigsten Menschen im Familien-, Freundes und Bekanntenkreis wüssten, wie sie mit dem Verlust der verwaisten Eltern umgehen, welcher Zuspruch der richtige sei, was sie sagen könnten oder tun. Sprüche wie „Du bist doch noch jung und kannst noch andere Kinder haben“, „ihr kanntet das Kind doch noch gar nicht“ ebenso wie auch das Abwenden wegen der eigenen Überforderung verschlimmerten eher noch die Not der Eltern.

Fehl- oder Totgeburten können Depressionen auslösen

„Die Auswirkungen einer Fehl- oder Totgeburt auf Frauen und ihre Familien können mit psychischen Symptomen wie Depressionen oder Angsterkrankungen einhergehen. Darüber hinaus können unterschiedliche Bewältigungs-Strategien der Eltern die Paarbeziehung belasten und die Bewältigung des Verlustes des Kindes weiter erschweren“, erklärt Bärbel Backhaus. Sie bietet den verwaisten Eltern akute Trauerbegleitung an, schnell und unbürokratisch, zeitlich nicht begrenzt, vermittelt weitergehende Unterstützungsangebote, wie beispielsweise Adressen von Selbsthilfegruppen, geeigneten Nachsorge-Hebammen, Trauerredner wie auch passende Bestatter.

Es dauert unterschiedlich lang bis der Schmerz über den Verlust weniger wird. „Der Verlust wird immer ein Thema für uns sein; es gibt blöde Tage, aber auch schon gute“, sagt Lilia Luft. Die Familie samt siebenjährigen Sohn hat ihr Sternenkind (so werden im Mutterleib verstorbene Kinder bezeichnet) auf dem Uerdinger Friedhof selber beerdigt. Regelmäßig fahren sie dort hin. Inzwischen mischt sich in die Trauer auch wachsende Freude. Lilia Luft ist erneut schwanger und jetzt in der 28. Woche. Und auch jetzt ist Bärbel Backhaus für sie bei Bedarf da.