Kommunalwahl 2020 OB-Kandidat Heitmann: „Wir werden auf Projekte verzichten müssen“

Krefeld · WZ-Interview mit Joachim C. Heitmann, Oberbürgermeister-Kandidat der Krefelder FDP.

Joachim C. Heitmann sagt zum Thema Theaterplatz: „Wir brauchen Drogenprävention statt Junkie-Mobbing“. Und: „Wenn wir eine Veranstaltungshalle bekommen, dann gehört sie an den Theaterplatz.“

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Herr Heitmann, schon 2004 und 2009 haben Sie für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Warum jetzt schon wieder? Sie haben doch ohnehin keine Chance.

Joachim C. Heitmann: Das war ein Diskussionsprozess innerhalb der Krefelder FDP, an dessen Ende die Mitglieder gesagt haben, dass es nach dieser Ratswahlperiode notwendig ist, unsere Themen zu personalisieren. Und das geschieht über einen Oberbürgermeisterkandidaten. Ich habe nicht unruhig auf dem Sofa gesessen und gewartet, wann kommt der Anruf, dass ich es machen soll. Aber die klare Mehrheit wollte einen Kandidaten, und da habe ich geahnt, dass es auf mich zuläuft. Und: Hätten wir keinen eigenen Kandidaten, wäre die Frage gekommen, wen wir unterstützen. Da wir zuletzt im Rat in der Opposition gegen die Groko waren, hätten wir keinen Kandidaten von SPD und CDU unterstützen können.

Was wollen Sie konkret für Krefeld erreichen, sollten Sie gewählt werden? Etwa beim Thema neues Verwaltungsgebäude?

Heitmann: Das ist eines der Projekte, die ich angesichts der Finanzlage noch mal auf den Prüfstand stellen möchte. Es gibt inzwischen private Investoren, die darüber nachdenken, ob sie nicht doch den Eiermann-Bau am Konrad-Adenauer-Platz wieder reaktivieren. Zudem müsste für ein neues Verwaltungsgebäude das Seidenweberhaus abgerissen werden, so dass sich automatisch die Frage nach einer Veranstaltungshalle stellen wird. Da sind wir der Auffassung, dass sie in die Innenstadt gehört. Aber der Bedarf für diese Bauten ist bisher perspektivisch nicht definiert. Ich glaube, wir werden künftig weniger Platz für die Verwaltung brauchen, Stichwort Homeoffice. Und wie sich die Branche Veranstaltungen, Tagungen, Konzerte nach Corona entwickelt, ist offen.

Wie sehen Sie die Situation am Theaterplatz?

Heitmann: Wenn wir eine Veranstaltungshalle bekommen, dann gehört sie an den Theaterplatz. Gerade im Hinblick auf die Innenstadtentwicklung ist das wichtig. Je belebter der Theaterplatz ist, desto eher steht er den Bürgern zur Verfügung. Aber es ist auch klar, dass es nur eine Verdrängung der Drogenszene gibt. Deshalb brauchen wir Drogenprävention statt Junkie-Mobbing.

Wie wollen Sie die Wirtschaft fördern?

Heitmann: Wir brauchen neue Gewerbegebiete, einmal südlich des Elfrather Sees. Das hat gute Realisierungschancen. Das zweite Thema ist das interkommunale Gewerbegebiet nördlich und südlich der A 44. Willich ist schon abgesprungen. Wir plädieren dafür, notfalls den Regionalplan zu ändern, so dass es nördlich der A 44 allein auf Krefelder Stadtgebiet möglich ist. Interkommunal wäre besser.

Thema Sportstätten. Die Verwaltung hat eine Bestandsaufnahme vorgelegt. Wie sind Ihre Prioritäten?

Heitmann: Es ist richtig zu sagen, weniger Bezirkssportanlagen, aber dafür ertüchtigte. Bei den Bädern ist unsere Position, den Standort Bockum auszubauen, auch mit einer Eishalle. Wir halten das Projekt Westparkstraße für falsch. Da müssten wir eine Tiefgarage bauen. Zudem müssten wir noch Grundstücke dazu kaufen. In Bockum haben wir Platz für ein Bad der Grundversorgung und den Eissport, ausreichend Parkraum und einen Anschluss an den ÖPNV.

Corona stellt den Haushalt der Stadt vor neue Herausforderungen. Was muss Krefeld unternehmen, um nicht wieder abzurutschen?

Heitmann: Wir werden auf Projekte verzichten müssen. Veranstaltungshalle und Verwaltungsgebäude stehen auf dem Prüfstand. Ich stecke lieber notfalls etwas ins Seidenweberhaus. Wir brauchen eine neue Haushaltskonsolidierung, das haben wir in den letzten Jahren eigentlich gar nicht gemacht. Da haben wir von niedrigen bis Null-Zinsen sowie Riesen-Investitionsprojekten von Bund und Land gelebt. Land und Bund werden dies aber auf Dauer nicht tun können. Sparen können wir, indem man etwa Bauvorhaben mit PPP macht, also mit privaten Investoren. Wenn die öffentliche Hand was anpackt, das sehen wir in Krefeld an prominenten Beispielen wie Kaiser-Wilhelm-Museum oder der Haltestelle Ostwall, klappt das nicht.

OB Frank Meyer ist in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. Wie sieht Ihr Kurs für  einen digitalen Wahlkampf aus, der in Corona-Zeiten sicher besonders wichtig ist?

Heitmann: Auch wir setzen auf einen digitalen Wahlkampf, auf soziale Medien, auf Videos. Meine Parteifreunde sind aber auch wild entschlossen, Infostände zu machen. Wir haben alle Standorte wie bei der Europawahl angemeldet. Wir machen es bewusst nicht von der Couch, das ist nicht meine Art.

Haushaltssperre, Mehrwertsteuersenkung, Einbruch bei den Steuereinnahmen: Die FDP profiliert sich bisher oft über Wirtschaftsthemen. Nun setzten Sie sich für ein klimafreundliches „Grünes Bauhaus“ ein. Wollen Sie Wähler bei den Grünen gewinnen?

Heitmann: Das „Grüne Bauhaus“ hat auch was mit Wirtschaft zu tun. Und im Gegensatz zu den Grünen sind wir der Auffassung, dass wir Neubaugebiete brauchen. Krefeld ist auf Schrumpfkurs. Wir verlieren Einwohner. Das hat gewaltige Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Experten sagen, man braucht mindestens 250 000 Einwohner, um als Großstadt überleben zu können. Die Angebote an Handel, Gastronomie, Entertainment bluten sonst aus. Die Idee, in Fischeln ein zeitgemäßes Wohnangebot im modernen Bauhaus-Stil etwa mit Dachbegrünung und Straßenbegleitgrün anzubieten, ist richtig. Ein solches Projekt schafft auch den Anreiz, nach Krefeld zu ziehen. Gerade für junge Familien, für die ein passendes Angebot in Krefeld fehlt.

Was würde ein Oberbürgermeister Heitmann gegen die „gewaltige soziale Diskrepanz“ in Krefeld unternehmen, die Sie selbst vor wenigen Wochen im Rat beklagt haben.

Heitmann: Das gesamte Gebiet innerhalb der Wälle hat inzwischen eine bestimmte Prägung erfahren. Die Lage ist dramatisch. Ich würde den gesamten Grundstücksetat der Stadt von zehn Millionen Euro nur dort investieren. Wir haben Vorkaufsrechte der Stadt, wir haben eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, hier müssen wir barrierefreien, bezahlbaren Wohnraum entwickeln. Was hat die Stadt gemacht? Sie ist in andere Wohnbaugebiete eingestiegen. Für die es aber Investoren gibt. Aber hier innerhalb der Wälle brennt doch die Hütte. Das färbt auf die ganze Innenstadt ab und berührt inzwischen auch das Krefeld-Gefühl der Menschen in Bockum, in Forstwald, in Kliedbruch. Fragen Sie mal, wie viele Menschen von denen noch in der Innenstadt einkaufen. Jedenfalls weniger als vor ein paar Jahren.

Wäre ein Bündnis mit der CDU für Sie ein Thema? Über einen gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten hatte man sich ja nicht einigen können.

Heitmann: Ich möchte betonen, dass es in allen Fraktionen Leute gibt, mit denen man zusammenarbeiten kann – auch, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Es gibt auch Überschneidungen mit vernünftigen SPD-Politikern. Solchen, die nicht idealistischen Träumereien nachhängen, sondern realistisch Dinge anpacken wollen. Wenn sich aber im nächsten Rat die Möglichkeit einer CDU/FDP-Mehrheit ergäbe, dann wäre das die erste Präferenz. Die Groko-Jahre seit 2014 waren verlorene Jahre. Die Grundprobleme der Stadt sind nicht richtig angepackt worden.