Verkehr Regiobahnen in Not: Strecken auf der Kippe

Krefeld · RE 7 (National Express), RE 10 (Nordwestbahn) und RB 35 (Abellio): Die Kosten fahren davon.

 Am Freitagnachmittag planmäßig unterwegs: die RB 35 hält am Krefelder Hbf auf dem Weg nach Gelsenkirchen.

Am Freitagnachmittag planmäßig unterwegs: die RB 35 hält am Krefelder Hbf auf dem Weg nach Gelsenkirchen.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Dass Regiobahnen ausfallen oder die Züge mit Verspätung fahren, ist in Krefeld bestens bekannt. Dass ganze Strecken auf der Kippe stehen, ist allerdings neu. Aber die Lage der privaten Anbieter hat sich im Laufe dieses Jahres dramatisch verschärft, weil viele Fahrgäste wegen Corona die Bahnen gemieden haben. Es lässt sich nicht mehr ausschließen, dass Strecken zeitweise nicht mehr bedient werden. In Krefeld geht es um den RE 7 von National Express (Krefeld-Rheine), den RE 10 der Nordwestbahn (Kleve-Düsseldorf) und die RB 35 von Abellio (Gelsenkirchen-Mönchengladbach).

Wie schlecht es um die Wettbewerber der Deutschen Bahn steht, wurde jüngst durch einen „Handelsblatt“-Bericht deutlich. Darin ist von hohen Verlusten bei Abellio die Rede. Auf Nachfrage weist das Unternehmen Spekulationen zurück, kurz vor der Pleite zu stehen. Abellio bestreitet aber nicht den Ernst der Lage. Die Situation für alle Anbieter im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sei „sehr herausfordernd“. Mit den Bundesländern gebe es Gespräche, um Verkehrsverträge nachzuverhandeln.

Deutsche Bahn hat 40 Prozent der Verkehrsleistung verloren

Die Länder vergeben seit 20 Jahren Strecken – immer an den billigsten Anbieter. In der Regel werden die Betreiberlizenzen auf 15 Jahre vergeben. Auf diese Weise hat die Deutsche Bahn (DB) inzwischen fast 40 Prozent der Verkehrsleistung im SPNV verloren.

Was die privaten Anbieter nicht auf der Rechnung hatten, sind die enormen Kostensteigerungen. Insbesondere die stetig steigende Bautätigkeit an der Infrastruktur lässt die Aufwendungen klettern, weil für Schienenersatzverkehr und die aufwendige Planung mehr Personal gebraucht wird. Das Baustellenchaos führt nicht selten zu Zugausfällen, was Strafzahlungen der Auftraggeber zur Folge hat. Mehr Geld müssen die Unternehmen auch deshalb ausgeben, weil neue Tarifverträge das vorschreiben. Abellio spricht „vom Wegfall der Geschäftsgrundlage“. Die Kostensteigerungen seien nicht vorhersehbar gewesen.

Alle privaten Anbieter versuchen, ihre Lage in Gesprächen mit den Bundesländern zu verbessern, Verträge zu ändern. Dabei steht die Politik durchaus unter Druck. Sollte es zu Insolvenzen kommen, wären die Folgen gravierend. Denn die Unternehmen sind so groß, dass andere Bahnbetreiber diese Strecken nicht kurzfristig übernehmen können. So betreibt Abellio mit 278 Zügen 50 Linien in Deutschland, unter anderem in NRW.

Das Unternehmen werde seinen langfristigen Verpflichtungen „nach bestem Wissen und Gewissen nachkommen“, heißt es aus der Berliner Zentrale. Der Vertrag zum Betrieb der RB 35 läuft noch bis Dezember 2028. Der Branchenverband Mofair befürchtet, dass viele Verträge „notleidend“ werden.

Dieses Schicksal droht den Regiozügen, die von der DB betrieben werden, nicht. Denn die Politik hat Hilfe bereits zugesagt. Für die erste Hälfte dieses Jahres wies die Nahverkehrstochter des Staatskonzerns zwar 597 Millionen Euro Verlust aus. Der Bund hat aber zugesichert, die Corona-bedingten Finanzlöcher des Unternehmens mit einer Kapitalspritze von mindestens 5,5 Milliarden Euro zu stopfen. Mit Blick auf Krefeld bedeutet das, dass die RB 33 (Essen-Aachen) und der RE 42 (Münster-Mönchengladbach) sicher nicht auf der Kippe stehen.

Dass die Eigentümer der privaten Bahnen so großzügig wie die DB sind und Defizite auf Dauer ausgleichen, ist eher unwahrscheinlich. Deshalb könnte es sein, dass nach einer Phase des Übergangs wieder viele Strecken zurück in die Hand der Deutschen Bahn gehen. Die hätte dann deutlich mehr Spielraum für höhere Preise.