Krefelder Frühstück Wo in Krefeld wieder Normalität zu spüren ist
Krefeld · Wenn Sie momentan in Krefeld unterwegs sind, merken Sie: So schlecht und anormal ist dieser Sommer gar nicht. Im Gegenteil, in den vergangenen Tagen gab es sogar erfreuliche Anzeichen.
Guten Morgen,
was hätte das für ein schöner Sommer werden können? Die Sonne scheint oft. In ein paar Tagen wäre die Fußball-Europameisterschaft gestartet. Unsere größten Sorgen wären die Wade eines Nationalspielers und die Verlässlichkeit des tierischen WM-Orakels. Vielleicht hätte dieses Mal sogar der Krefelder Zoo den Erben von Legenden-Krake Paul stellen können. Kürzlich ist Tigerkatze „Mau“ ins Großkatzengehege gezogen. Wer weiß? Womöglich hätte der Neuzugang die DFB-Elf zum Titel orakelt.
Das sind Träumereien. Ich weiß. Solche Gedanken hatten Sie während der Corona-Krise sicher auch – die Sehnsucht nach den Dingen, die anders so viel schöner wären. Doch aus der EM wird in diesem Jahr nichts und ein Orakel braucht es auch nicht. Der Philosoph und Fußballer Lothar Matthäus brachte es einst auf den Punkt: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“
Trotz allem bringt es nichts, zu jammern. Es ist auch nicht nötig. Wenn Sie momentan in Krefeld unterwegs sind, merken Sie: So schlecht und anormal ist dieser Sommer gar nicht. Im Gegenteil, in den vergangenen Tagen gab es sogar erfreuliche Anzeichen. Normalität und Gesundheitsschutz scheinen sich ganz gut zu vertragen.
Bei den ersten Lockerungen war ich in diesem Punkt noch skeptisch. Mir ging das zu schnell. Diese Meinung ergab sich wohl aus einem Gefühl der Unsicherheit. Und der praktischen Sorge, doch mal wieder ein Hemd fürs Büro bügeln zu müssen. Hinzu kommt die politische Debatte. Da ist von neuer oder verantwortungsvoller Normalität die Rede. Richtig Lust macht das nicht. Das klingt so reizvoll, als würde ein Wirt mit lauwarmer Suppe werben.
Mittlerweile bin ich anderer Meinung. An einem Freitagabend im Mai war ich in der Innenstadt unterwegs. Die Krefelder saßen wieder vor den Restaurants in der Sonne. Zwei Paare spielten Doppelkopf vor einer Kneipe. Die Kellnerin brachte das Essen auf die Terrasse. Ich habe mich an einen freien Tisch gesetzt. Die Erkenntnis meiner Mini-Erhebung: Ein kühles Getränk schmeckt auch mit 1,5 Metern Abstand zum Nachbartisch. Für einen Moment ist alles ganz herrlich normal.
Klar, manche Dinge bleiben im Restaurant befremdlich. Plötzlich lassen Gäste dort Daten wie beim Einwohnermeldeamt. Auch die Maske ist gewöhnungsbedürftig – als ginge es nach der Pizza quattro stagioni noch eben zum Banküberfall. Doch diese Änderungen müssen sein und schmälern die zurückgewonnene Freude nicht. Nicht alles, was zunächst befremdlich anmutet, ist also abzulehnen. Beim Bäcker haben wir das längst gelernt. Da tragen die Produkte reihenweise befremdliche Namen. Schokobrötchen heißen „Schoko-Wuppi“ und das Vollkorn-Brot ist der „Fitmacher“. Der Wahnsinn stört nicht weiter, es schmeckt ja.
Auch abseits der Gastronomie geht es wieder los. Die Kulturszene in der Stadt kehrt zurück. Ich hatte das Glück, für unsere Redaktion eine der ersten Ausstellungen nach der Corona-Pause zu besuchen. Zugegeben, als der Auftrag ankam, habe ich noch nicht von Glück gesprochen. Ich war nie Fan davon, an irgendwelchen Exponaten entlang zu wandeln. Eine Ausstellung, die bei mir punkten möchte, sollte den Weg zum Ausgang optimal ausschildern – dachte ich zumindest.
Nun hat mich die Arbeit in den Südbahnhof getrieben. Dort habe ich mir Karikaturen zur Wasserverschwendung angeschaut. Von meiner Stimmung war ich dabei völlig überrascht. Der Besuch machte mich doch tatsächlich glücklich. Endlich Abwechslung. Die Spaziergeh-Runde an meiner Wohnung kann ich mittlerweile blind und rückwärts gehen. Mein Mitbewohner und ich reden inzwischen wie bei Tante Ernas 70. Geburtstag – immer von früher. Über viele Wochen hat eben keiner so recht was erlebt. Da kam die Ausstellung gerade recht.
Es tut gut, mal wieder etwas Neues kennenzulernen. Probieren Sie es aus. Mehrere Ausstellungen in der Stadt sind zurück. Wer lieber draußen ist, geht in den Zoo. Allein in den ersten beiden Wochen nach dem Neustart kamen 33 000 Menschen. Die Leute wollen wieder raus, was erleben. Das ist trotz Auflagen wunderbar möglich.
Womöglich sind Sie noch nicht überzeugt, dass sich vieles in Richtung Normalität entwickelt. Deshalb biete ich Ihnen den Spitzentrumpf unter den Argumenten. Den Tiger „Mau“ haben wir zu Beginn schon thematisiert. Über den einzig wahren Tiger sollten wir noch reden: Stefan Effenberg. Kaum war wieder an Sport zu denken, folgte der Abschied des Kurzzeit-Managers beim KFC Uerdingen. Viele Freunde schickten mir die Nachricht zu seinem Abgang aufs Handy. Der digitale Zapfenstreich für einen Mann, der den Verein eher nicht geprägt hat. Ein Trainingslager vermasselt, eine Fast-Food-Bude eröffnet – das bleibt mir in Erinnerung. Danke für alles und alles Gute.
Für mich ist das Effe-Aus vor allem ein wichtiges Signal: Auch in ungewöhnlichen Zeiten liefert der KFC eine Kuriosität. Wie beruhigend, dass auf Uerdinger Tradition Verlass ist. Zum Glück kann sich das Team nun wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen: Fußballspiele spielen. Die Fans dürfen sich zumindest mit ein paar Freunden treffen und zuschauen. Endlich wieder die blau-roten Jungs unterstützen – mit Publikum macht das natürlich mehr Spaß. Nach den ersten Geisterspielen sage ich aber: immerhin.
Nach diesen Eindrücken der vergangenen Tage freue ich mich auf die kommenden Sommerwochen. Statt Handy – Schlüssel – Portemonnaie heißt es nun eben Handy – Schlüssel – Portemonnaie – Maske ehe es aus dem Haus geht. Wenn wir daran denken, ist vieles schon wieder möglich.