Politik Krefelder Sektenarzt Hopp und Colonia Dignidad spalten Bundestag
Hartmut Hopp, einst Arzt der Sekte Colonia Dignidad, ist noch immer frei. Nächste Woche will Berlin sich zu der Horror-Sekte positionieren.
Krefeld. In Berlin scheinen nun doch alle Fraktionen gewillt, sich für eine rückhaltlose Aufklärung zu den Gräueltaten der Horror-Sekte Colonia Dignidad zu positionieren. Schon in der nächsten Woche. Es geht um systematische Folter, Vergewaltigungen und Morde. 55 lange Jahre hat es gedauert, bis die deutsche Politik sich dafür interessierte. Dabei schaut die Nation nicht zuletzt auf Krefeld, wohin sich Sektenarzt Hartmut Hopp — in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch an Kindern verurteilt — 2011 geflüchtet hat. Ärger und Unverständnis gibt es zwischen den hiesigen Abgeordneten. Denn ob jeder für sich diese Verbrechen geißelt oder gemeinsam, steht noch nicht fest.
Hintergrund: Es ist ein halbes Jahr her, dass sich eine Delegation mit Renate Künast als Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages auf den Weg nach Chile machte und das heutige Feriendorf Villa Baviera erkundete. Erstmals ein Besuch deutscher Politiker, der nicht wohlgesonnener oder geschäftlicher Natur war. Denn die Führungsclique der endzeitlich ausgerichteten Glaubensgemeinschaft verfügte seit ihrer Gründung bis zu ihrer Zerschlagung stets über exzellente Verbindungen.
Erst seit 2004 dürfen Mitglieder der deutschstämmigen Sekte das riesige Gelände im Süden Chiles aus freien Stücken verlassen. Gegangen sind seither etwa 200, weitere 100 leben immer noch auf dem Areal, das von Sektengründer Paul Schäfer mit grausamer Hand regiert wurde, auf dem Autowracks verschwundener Chilenen gefunden und während der Militärdiktatur unter Pinochet Waffen für die chilenischen Machthaber produziert wurden.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach denn auch von einer Mitschuld und unter Federführung der Grünen Künast wurde im Frühjahr ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen zur Aufklärung abgestimmt. Als er auf den Weg gebracht werden sollte, sprangen CDU und SPD wieder ab, um einen eigenen Antrag auszusetzen. Ohne die Grünen, vor allem ohne die Linken. Dieses eigene Papier soll nun fertig sein. Die Grünen, ist aus den Büros der Krefelder Abgeordneten Siegmund Ehrmann und Kerstin Radomski zu hören, können und sollen sich dann dem Koalitionsantrag anschließen.
Was die grüne Kollegin Ulle Schauws auf die Palme bringt: „Welche schrecklichen und grausamen Menschenrechtsverbrechen die vielen Opfer in der Colonia Dignidad in Chile über Jahrzehnte erleiden mussten, ist lange bekannt. Aber es wurde auch lange weggeschaut in Deutschland. Ich sehe, dass wir eine moralische Mitverantwortung haben und längst Maßnahmen zur konkreten Entschädigungen der Opfer auf den Weg hätten bringen können. Wir Grünen haben jetzt, nach der Reise des Rechtsausschusses nach Chile, einen entsprechenden Antrag initiiert, der fraktionsübergreifend verabschiedet werden sollte. Aber seither wurde das Verfahren von der Großen Koalition immer wieder gebremst.“
Ihr sei völlig unverständlich, warum Union und SPD so zauderten. „Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um Gerechtigkeit, um eine Geste, um Wiedergutmachung und um die Würde der Menschen, die in der CD überlebt haben. Dass dabei sicherlich auch dunkle Kapitel der deutschen Diplomatie aufgedeckt werden könnte, gehört zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen dazu. Darum sollte dieser Antrag in dieser Wahlperiode, also vor dem Sommer, verabschiedet werden. Wir haben noch eine Sitzungswoche.“ Die wollen die Grünen nutzen.
Renate Künast geht da noch weiter. Im Interview mit dem Verein netzwerkB (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt) erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die Union. Zu 55 Jahren offensichtlich mangelndem Aufklärungsinteresse deutscher Behörden und der Politik sagt sie: „Nein, natürlich muss das nicht so lange dauern. Aber da müssen Sie jemanden anderen fragen. Zum Beispiel die CDU und vor allem die CSU, die diese Colonia Dignidad ja noch unterstützt hat.“ Trotzdem scheint es möglich, dass in der nächsten Woche einen gemeinsamen Antrag geben wird. Wie der inhaltlich im Einzelnen aussehen soll, möchte und kann heute noch niemand von den Krefelder Abgeordneten sagen.
Doch auch das Krefelder Landgericht müsse endlich seine Hausaufgaben machen, fordert Ulle Schauws: „Das Landgericht Krefeld muss jetzt endlich eine Entscheidung treffen, die strafrechtliche Folgen und den Strafvollzug von Harald Hopp anzuordnen. Nach so vielen Jahren Verzögerung sollte das Gericht jetzt, wo es kann, auch handeln und nicht durch weitere Verzögerungen womöglich falsche Signale setzen. Dies wäre fatal.“