Budenzauber Der Lügenbaron ist alt geworden

Krefeld · Das Figurentheater Seiler aus Hannover zeigt als Ein-Mann-Theater „Münchhausens Abenteuer“.

Gerhard Seiler übernahm vor 50 Jahren das Puppentheater seiner Eltern und wird sich im November von der Bühne verabschieden. In der Fabrik Heeder gastierte er noch einmal mit „Münchhausen“.

Foto: Dirk Jochmann

Schon der erste Blick auf das Bühnenbild lässt am Samstagabend erahnen, dass der dritte Abend des Budenzaubers 2023 in der Fabrik Heeder eine Reise in die Welt des traditionellen deutschen Puppentheaters bringen wird. Die Kulisse versetzt das Publikum in das bescheiden-herrschaftliche Wohnambiente des Barons von Münchhausen.

Gerhard Seiler als Schauspieler, Puppenspieler und Bühnengestalter eines Ein-Mann-Theaters betritt die Bühne und führt in das Leben Münchhausens ein. Der Lügenbaron ist alt geworden, er sitzt als lebensgroße Puppe in einem Ohrensessel-Rollstuhl und wird von seinem ergebenen Diener Rösemeier versorgt und betüddelt. Seiler bewegt beim Spiel den Kopf und die Unterarme des Barons von hinten durch Öffnungen in der Sessellehne.

Es ist Winter und in dem kalten Schloss wärmt ein weißes Fell Münchhausen in seinem Sessel. Dazu tischt er sein Abenteuer von einem Eisberg und einer Eisbärjagd auf. Erster witziger Moment: Der Diener dreht das Fell auf dem Schoß um und ein Eisbärkopf wird sichtbar.

Aus dieser ersten Lügengeschichte nach Vorlagen von Erich Kästner und Gottfried August Bürger entwickelt sich der rote Faden der Aufführung – ein Verleger möchte die Abenteuer Münchhausens herausgeben und die beiden alten Herren diskutieren, was veröffentlicht werden sollte. Für den Baron ist dies die Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen und vielleicht auch gleich neu zu phantasieren.

In den Schilderungen und Gesprächen zwischen Schauspieler und Puppe zeigt sich eine Schwäche, die sich durch die ganze Aufführung hindurchzieht. Häufig macht Seiler im Eifer des Spiels mit all seinen Anforderungen als Allein-Verantwortlicher für alles auf der Bühne keine großen Unterschiede in der Sprechweise. Der zurückhaltende kratzbuckelnde und besorgte Diener und der mit seinen vermeintlichen Taten protzende Baron sprechen mit ähnlichem Ausdruck. Auch die Lautstärke ist manchmal den Inhalten nicht angemessen – ein leises Murmeln, wenn er sich mit dem Rücken zum Publikum drehen muss, weil Requisiten geholt werden müssen.

Heiterer wird es, wenn Seiler zu den abenteuerlichen Schilderungen winzige Stabpüppchen (alle Figuren von Jürgen Maaßen) über der Sessellehne auftauchen lässt, die so zu einer zweiten Bühne wird. En miniature erscheinen hier beispielsweise der nach St. Petersburg reitende Münchhausen, der Sultan vom „Türkenstrand“, für den er als Hirte eine Million Bienen hüten muss und sein Ausflug ins Weltall mit Kontakten zu himmlischen Wesen. Von einem Weltraumbahnhof tuckert er auf einer Wolke wieder zurück zur Erde. Mit einem Fuß löst Seiler jeweils die passenden Geräusche zu den kleinen Szenen aus.

So wie der Puppenspieler sein Publikum begrüßt hat, verabschiedet er sich auch in direkter Weise von ihm und erklärt, was ohnehin jeder weiß, dass das besagte Buch tatsächlich geschrieben wurde und man es heute noch lesen könne. Einige aus dem Publikum nutzen nach der Aufführung die Gelegenheit, die Puppen aus der Nähe zu betrachten und ihre Fragen an den Puppenspieler zu stellen.

Der Budenzauber in der Fabrik Heeder geht am 8. und 10. September weiter. Infos und Kartenreservierungen online.