Die uneitle Violine
Beim fünften Sinfoniekonzert harmoniert Solist Linus Roth mit dem Orchester.
Krefeld. Ein Paradiesgarten, Naturgewalten und Walzerseligkeit, all das bot das Programm des 5. Sinfoniekonzerts, das jetzt im gut besuchten Seidenweberhaus zu hören war. Zum Herzstück des Abends wurde das Violinkonzert von Benjamin Britten, mit dem Solist Linus Roth das Publikum begeisterte. Mit der Intensität seines Spiels beeindruckte der Künstler auch schon vor knapp drei Jahren, als er beim Abschiedskonzert von Graham Jackson Alban Bergs Violinkonzert spielte. Durch den kurz danach erfolgten Tod Jacksons bekam dieses Konzert einen tragischen Akzent.
Einen anders gearteten ernsten Hintergrund hat Brittens Werk. Es entstand kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, wobei sich Britten als bekennender Pazifist bei der Vollendung bereits im amerikanischen Exil befand. Doch die Erfahrungen des Spanischen Bürgerkriegs, dessen Ausbruch Britten 1936 in Barcelona miterlebt hatte, haben das komplexe Stück geprägt. Spanische Anklänge finden sich auch musikalisch in der starken Rhythmik zu Beginn, an dem die Pauken beteiligt sind.
Melancholie kennzeichnet den unmittelbar einsetzenden Gesang der Solovioline. Vom ersten Ton an berührt der Klang der Stradivari, auf der Roth seit 1997 spielt. Auch in höchsten Tonlagen ist noch eine Wärme spürbar, die auch aus der tiefen Emotionalität des Spiels resultiert. Hochkonzentriert und doch scheinbar mühelos spielt sich der Solist durch die vor allem im zweiten Satz extrem schwierigen Passagen. Sie münden in eine nicht minder virtuose Solokadenz, die das Publikum spürbar fasziniert.
Doch Roth ist kein Selbstdarsteller sondern stellt sich auch perfekt auf das Orchester ein. So entsteht das ganze Konzert hindurch ein wunderbarer Dialog mit den Niederrheinischen Sinfonikern, die Mihkel Kütson souverän und differenziert agieren lässt. Die ausgewogene Zusammenarbeit zwischen Kütson und Roth ist sicher auch Folge einer kürzlich erfolgten gemeinsamen CD-Einspielung.
Den zweiten Teil des Abends bestreiten zwei populäre Orchesterwerke. „La Mer“ von Claude Debussy ist eine großartige Hommage an das Meer, das der Komponist sehr liebte. In drei Teilen beschwört er verschiedene charakteristische Stimmungen herauf. Vom fahlen Licht der frühen Morgendämmerung über das leichte Spiel der Wellen bis hin zum kräftigen Wind erzählen diese im Untertitel als Skizzen beschriebenen Stücke.
Besonders die ruhigeren Passagen zeichnen sich in der Interpretation der Sinfoniker durch feinsinnige Eleganz aus. Ein wirklich mitreißender Ausklang gelingt mit Maurice Ravels populärem „La Valse“. Anknüpfend an den klassischen Wiener Walzer, der ins Extreme gesteigert wird, beschwört Ravel eine glanzvolle Welt herauf, die ihrem Untergang entgegentanzt. Dafür gibt es begeisterten Applaus und Bravorufe.