Helmut Schleich: Ganz ehrlich und frei Schnauze
Der Münchener nimmt auch in seinem sechsten Soloprogramm kein Blatt vor den Mund.
Krefeld. Zu Beginn ist es dunkel. Ein Mörder sitzt an einem einfachen Holztisch. Das ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aber der etwas niedergeschlagen wirkende Täter plaudert gleich drauf los. Er erzählt von seinem mit Schulden belasteten Haus und warum er elf Menschen teils gewollt und teils ungewollt erschossen hat. Die Presse spreche zwar von der „Bestie von Doddlbach“, aber er sei ja im Grunde kein gewalttätiger Mensch, es habe nur irgendwann gereicht.
Als Zuschauer ist man sofort mitten drin in Helmut Schleichs mitreißendem Typen-Kabarett. Der Münchener präsentiert in seinem Programm „Ehrlich“ ein sich geradezu rauschhaft drehendes Karussell voller scharfzüngiger Satire. Fließend wechselt er in der Kulturfabrik zwischen den Themen und seinen Figuren.
Zwischen einem seine persönliche Version von Demokratie preisenden und derbe Witze reißenden Milizionär, einem über Schulreformen und moderne Theaterinszenierungen sinnierenden bayrischen Stammtischbesucher und den mit Zylinder und Gehstock bewaffneten, selbst ernannten Gesangslehrer von Johannes „Jopi“ Heesters liegt nur ein kurzer Gang zum auf der Bühne positionierten Kleiderständer.
Innerhalb eines Wimpernschlages verändert Schleich Mimik, Haltung und sprachlichen Ausdruck. In seiner Parade-Rolle als Franz Josef Strauß bringt er „ad hoc und postum“ die Traumblase vom weißbiergetränkten „Mia san mia“-Paradies zum Platzen und zieht dabei mit unverwechselbarer Selbstgefälligkeit eine ganze Riege prominenter Weißwurst-Kavaliere mit in den Abgrund des „Post-Stoiberischen Event- und Schnöselfreistaates“.
Anstatt, wie „der Boss“, mit Panzern im Gepäck die politischen Weltbühnen zu bespielen, habe der „sprechende Aktendeckel“, Edmund Stoiber, seine „eventpolitische Basis Bayern“ zu einem reinen Wirtschaftsstandort degeneriert. Wobei der größte Erfolg der „weiß-blauen Polit-Schlümpfe“ darin bestehe, dass dort „Verbrecher-Kutschen für die ganze Welt“ zusammengeschraubt werden. Auch „Westentaschen-Berlusconi“ und „Steuerhinterzieher-Azubi“ Ulrich „Uli“ Hoeneß wird von Schleichs Kunstfigur geteert und gefedert.
Am Ende wird es wieder düster und der von Grund auf ehrliche Mörder fragt sich, ob Helmut Schleichs schweißtreibende Kabarett-Performance überhaupt beim Publikum angekommen ist. Wer am Sonntagabend trotz Zeitumstellung noch demaskierende Wahrheiten vertragen konnte, stimmte auch nach dem bitterbösen Ende in den aufbrausenden Applaus für den Künstler ein.