Interview mit dem Kulturbüro-Chef - Freie Szene: Von Erbhöfen und fehlenden Spielräumen

Kulturbüro-Chef Jürgen Sauerland-Freer über die Verteilung von Fördergeld, gewachsene Strukturen und den Kampf um Innovation.

Krefeld. Herr Sauerland-Freer, Kulturförderung in Krefeld läuft weitgehend nach dem Prinzip des Gewohnheitsrechts. Die Akteure der freien Szene erhalten Jahr für Jahr den gleichen Betrag für ihre Arbeit. Für gezielte Projektförderung bleibt wenig Raum. Warum ist das in Krefeld so?

Sauerland-Freer: Von Gewohnheitsrecht kann man nicht sprechen, die Qualität der entsprechenden Anträge wird ja ständig überprüft. Grundsätzlich ist das Krefelder Förderprinzip historisch gewachsen. Schon zu Zeiten des alten Kulturamtes gab es einen Grundbestand an Einrichtungen, die sich auf eine jährliche Förderung verlassen konnten. Zusätzlich gab es jedoch einen relativ großen Betrag zur freien Verfügung — eine Art freie Spitze.

Und die ist nicht mehr da?

Sauerland-Freer: Die freie Spitze ist durch Kürzungen über die Jahre mehr und mehr abgeschmolzen. Selbst die festen Zuschüsse sind ja immer weiter reduziert worden. Wenn überhaupt Mittel frei sind, dann in sehr kleinem Maßstab.

Was sind die Auswirkungen?

Sauerland-Freer: Ich empfinde es als großen Mangel, diese freie Spitze für einzelne Projekte nicht mehr zur Verfügung zu haben. Das ist ein wesentlicher Punkt, um die Kulturlandschaft zu gestalten.

Inwiefern?

Sauerland-Freer: Kulturarbeit lebt vom Experiment, das auch mal scheitern darf. Es geht darum, Dinge zu fördern, die neu und innovativ sind, Anregungen und Anstöße zu geben. Dazu braucht man Geld. Wenn Land und die freien Träger selbst dann noch was dazu geben, hat man die Summe schnell verdoppelt.

In Zeiten der Haushaltssicherung wird die Politik den freien Kulturetat kaum aufstocken. Gibt es andere Möglichkeiten, wieder mehr Spielraum zu schaffen?

Sauerland-Freer: Die einzige Möglichkeit wäre, den regelmäßigen Empfängern der Förderung Geld wegzunehmen. Aber das ginge nicht, ohne gewachsene Strukturen zu zerstören. Wir können nicht plötzlich sagen: Wir machen das nicht mehr, seht zu, wie ihr klar kommt.

Das würde bedeuten, die Erbhöfe sind für alle Zeiten verteilt.

Sauerland-Freer: Von Erbhöfen will ich nicht sprechen, das klingt nach Ausruhen auf den Lorbeeren. Das ist aber bei den Akteuren in Krefeld nicht der Fall.

Dennoch: Große Teile der Kulturförderung sind in Stein gemeißelt.

Sauerland-Freer: Ja, und das ist auch gut so. Denn eine ganze Reihe von Einrichtungen hat seit Beginn der 90er Jahre im städtischen Haushalt verankerte Positionen, die mit ihrer Verlässlichkeit eine gute Planbarkeit der Arbeit garantieren. Es sei auch unbedingt erwähnt, dass der Rat im vergangenen Jahr für den Südbahnhof und das Folklorefest eine feste Förderung zusätzlich verankert hat. Aber um das in Krefeld existierende kreative Milieu nachhaltiger fördern zu können, fehlen — wie gesagt — weitergehende Spielräume.

Heißt das, wer eine gute Idee hat und Geld braucht, kann sich den Gang zum Kulturbüro sparen?

Sauerland-Freer: Nein, ein gewisser Spielraum ist da. Wenn jemand mit einem interessanten Projekt kommt, kann man reden. „Caravan & Satellit“ vom Bundesverband Bildender Künstler war 2011 so ein Beispiel. Das hat in der Region viel Beachtung gefunden — und ging von Krefeld aus.

Welche anderen Möglichkeiten der Förderung gibt es?

Sauerland-Freer: Ganz wichtig ist die Kulturstiftung der Sparkasse. Viele wichtigen kulturellen Pfeiler werden von ihr mit gestützt. Und das Land tut eine Menge.

Allerdings oft zeitlich begrenzt.

Sauerland-Freer: Ja, das kann ein Problem sein. Man entwickelt gute Projekte, hat Erfolg — und nach längstens drei Jahren läuft die Förderung aus. Die Kommune kann die Finanzierung aber nicht einfach übernehmen. So bröckeln Strukturen wieder.

In der freien Szene hört man gelegentlich die Kritik, dass die städtischen Institute im Kampf um die begehrte Landesförderung bessere Karten haben.

Sauerland-Freer: Der Vorwurf ist falsch, es gibt keinen ungleichen Wettkampf. Die Freien können sich hier im Kulturbüro beraten lassen, die Stadt unterstützt sie. Ich hätte keinen Spaß daran, irgendwen am Erfolg zu hindern, ganz im Gegenteil.