Jazz Improvisation mit knisternden Plastiktüten
Krefeld · Jens Düppe gastierte mit seinem Quartett im Jazzkeller und überraschte das Publikum mit einem ungewöhnlichen Programm.
„Alles, was wir machen, ist Musik“, hat der weltbekannte amerikanische Avantgarde-Komponist John Cage geschrieben. Wirklich? Man denkt unwillkürlich an den Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ von Joseph Beuys. Lässt man solche vermeintlich einfachen Sätze eine Weile auf sich wirken, dann entfalten sie doch Wirkung. Der in Köln lebende Schlagzeuger Jens Düppe hat sich nicht von der Musik von John Cage, sondern von neun Zitaten aus dessen Schriften zu den Stücken seines Albums „Dancing Beauty“ inspirieren lassen. Dies stellte er nun auf Einladung des Jazzklubs im Jazzkeller mit seinem Quartett vor.
Der Schlagzeuger leitet die Kombo
An dieser Band und ihrer Musik ist vieles ungewöhnlich, obwohl sich davon nichts aufdrängt. Das ist unter anderem die Tatsache, dass hier der Schlagzeuger der Leiter ist — was selten vorkommt. Sitzen Schlagzeuger im Jazzkeller sonst immer hinten links auf der Bühne, hatte sich Düppe sein Drumset auf der rechten Bühnenhälfte aufgebaut — also zu der Seite hin, wo im Keller die meisten Gäste sitzen. Und dann ist Düppe auch noch der einzige Komponist der Band, die ausschließlich sein Material spielt. Auch das ist eine Seltenheit.
Dass Düppe gerade den 15. WDR-Jazzpreis gewonnen hat, weist ihn als Talent aus, das sich auch Chefallüren leisten dürfte. Naja, wenigstens ein wenig, aber davon bis auf die ungewöhnliche Bühnenposition keine Spur. Düppes Quartett ist exquisit besetzt. Da ist auf der einen Seite der außerordentlich virtuose Trompeter Frederik Köster, der mit hoher Ausdruckskraft und großer Wandlungsfähigkeit im Ton agiert.
Dessen Gegenpart nimmt Lars Duppler am Piano ein. Dieser spielt nicht unbedingt verhaltener, aber mit leicht impressionistischem Gestus. Im Zusammenspiel von Köster und Duppler entwickelt sich oft eine Balance der Gegensätze, ein sich ständig neu mischendes Miteinander unterschiedlicher Farben. Am Kontrabass der Routinier Christian Ramond, der mit Beständigkeit und Disziplin sowohl die Formen markiert, als auch Düppe am Schlagzeug die Freiheit gewährt, die überwiegend binäre Rhythmik mit leichter Hand zu umspielen, ohne andauernd wiederkehrende Akzente zu setzen. Düppes Stücke kommen meist leichtfüßig daher. Die Themen entwickeln sich oft aus kleinen Motiven, die minimalistisch variiert werden, während Strukturen darunter hinweggleiten, die durch kaum bemerkbare Verschiebungsmuster ein Eigenleben zu entwickeln scheinen. Melodik und Begleitung entwickeln so Reibung aber auch Haftung, es entstehen Gewebe von Dichte und Transparenz gleichzeitig.
Düppes Musik ist intellektuell anspruchsvoll, ohne das auszustellen. Sie bleibt nahbar, will nicht abstoßen, sie öffnet sich in balladesken Stimmungen und expressiven Tutti auch dem emotionalen Zugang.
Und einmal kommt der Inspirator John Cage auch musikalisch zu Wort. Da erknistert Düppe mit drei Plastiktüten das Intro zu dem Stück „Dancing Plastic Bag“. Diese poetische Geräuschimprovisation hätte Cage bestimmt gefallen. Zu Recht viel Applaus im Jazzkeller.