Kunst-Caravan am Willy-Brandt-Platz: Eine Reise als Kunsterfahrung
Fotografin Andrea Theis wohnt in einem Caravan am Willy-Brandt-Platz. Krefeld ist die letzte Station von vier Städten.
Krefeld. Es ist keine Zirkusfamilie, kein Zigeunerleben und auch kein verspäteter Sommerurlaub. Es ist Kunst: Der „Campingplatz für Pendler und Prekäre“ ist ein Ausstellungsraum, Installationsobjekt und Beobachtungsposten.
Der einzelne Wohnwagen auf der eingezäunten Rasenfläche am Willy-Brandt-Platz steht für Ungebundenheit und Mobilität des modernen und flexibel lebenden Menschen von heute: Ein Leben auf kleinstem Raum im heutigen „Nomadentum“. „Ein Zwang zum Ortswechsel und eine rastlose Reise von Ort zu Ort ist oft auch mit Heimatlosigkeit und Armut verbunden, das stellen wir hier da“, sagt Brigitta Heidtmann, Vorsitzende des BBK Niederrhein.
Einen Monat lang transportiert der BBK Niederrhein mit einem Wohnwagen Kunst in vier verschiedene Städte: Mönchengladbach, Nettetal, Viersen und jetzt ist Krefeld an der Reihe. Ab dem 1. Oktober betreibt die Fotografin und Bildmacherin Andrea Theis „City Camping Krefeld“. Sie wird eine Woche in ihrem Caravan hausen und Kunst mit Spiel und Experiment durchführen. „Kunst ist Erleben und Erfahren, ich möchte als Pförtnerin des Campingplatzes eine Diskussionsplattform schaffen und die Geschichten von Menschen im öffentlichen Raum erfahren“, so Theis.
Die prekäre Arbeitsmigrantin hat selber drei Wohnsitze in Belfast, Berlin und Köln. „Die Lage ist optimal, hier ist eine Ameisenstraße, besonders Pendler können mein freies und mobiles Leben ohne Verwurzelung nachvollziehen. Oft weiß ich nicht, in welcher Schublade sich mein eigenes Besteck in den verschiedenen Wohnungen befindet.“ Die Rezeption ist täglich von sieben bis 20 Uhr geöffnet und Pendler können jeden Morgen bei ihr frühstücken.
Auf dem Programm steht noch mehr: Bei den Offenen Runden Tischen vom 4. bis 7. Oktober wird nachmittags über das Verhältnis von Arbeit und Einkommen und die Frage nach dem eigenen Platz und Heimat in der hochmobilen Welt diskutiert.
Am 8. Oktober findet eine Diskussion über die Konzepte Grundeinkommen und Mindestlohn zwischen 14 und 16 Uhr statt. Hierbei werden ein Mitarbeiter des Arbeitslosenzentrums Krefeld/Meerbusch, eine freie Journalistin und ein Vertreter der katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Aachen mit am Tisch sitzen.
Vom 1. bis 3. Oktober gibt es einen Fahnenworkshop, bei dem Teilnehmer Fahnen gestalten und hissen können, die den Platz im eigenen Leben darstellt. Parallel zu diesem Programm wird ein „Satellit“ von der Hochschule Niederrhein organisiert. Professor Nicolas Beucker, Dekan des Fachbereichs Design, wird mit Studenten die Ausstellung „Einmalige Gelegenheiten — Mikroinstitutionen im öffentlichen Raum“ täglich von 15-18 Uhr in der Hochschule präsentieren.
„Nicht nur etablierte Institutionen bilden das Rückgrat einer Stadt, auch informelle mobile oder temporäre Institutionen im öffentlichen Raum treiben kulturelle Entwicklungen voran. Ein Beispiel ist der Bratwurstpaule in Krefeld. Möglichkeiten der Stadtentwicklung für den Niederrhein müssen von den Bürgern diskutiert werden“, so Beucker.