Mooshammer ließ hier weben
Gewebte Etiketten erzählen Geschichten – besonders in Krefeld. Dr. Karin Thönnissen ist ihnen auf der Spur.
Krefeld. Manche trennen sie gleich vor der ersten Wäsche raus, andere gehen ohne ihr Krokodil gar nicht vor die Tür. Das Etikett, unscheinbar in eine Bluse oder deutlich auf den Hut genäht, zeigt eine Haltung und erzählt eine Geschichte.
Abzulesen sind solche Geschichten auch an den Unterlagen der Krefelder Weberei Neiss. Sie bestand von 1884 bis 1995 und vererbte danach Unterlagen und Maschinen. Das Museum Burg Linn erhielt Musterarchiv, Vertreterbücher und Geschäftsunterlagen. Ins Textilmuseum Bocholt kamen Maschinen, Aktenlager und Patronenmappen.
Mit diesen Bergen von Material beschäftigt sich Dr. Karin Thönnissen. Sie betreut für drei Monate als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Textilmuseums Bocholt ein Projekt mit dem Arbeitstitel "Zur Kulturgeschichte des gewebten Etiketts".
Derzeit sichtet sie die Unterlagen und schwärmt: "Das ist wie eine Reise durch die Welt." Denn von überall her kamen die Bestellungen per Post nach Krefeld. Bei den Aufträgen vom Modehaus Finck gibt es einen eingewebten kleinen Vogel, Pelzhändler schmücken ihre Etiketten mit Panther oder Fuchs, und südamerikanische Schulen schickten ein Konterfei ihres Direktors für die Uniform-Etiketten.
Karin Thönnissen hat die Geschichte der Firma Neiss aufgeblättert: Carl August Neyß gründete sie 1884 an der Luisenstraße 69. Sein Vater war aus Boppard zugezogen und hatte sich als Strumpfweber niedergelassen. In der Bombennacht 1943 wurde die Fabrik, inzwischen am Grünen Dyk ansässig, völlig zerstört.
Man baute wieder auf: In der Nachkriegszeit webte Neiss zum Beispiel die Etiketten für den Mönchengladbacher Hemdenschneider Van Laack, für fast alle Krawattiers in Krefeld und für den exzentrischen Münchner Modefürsten Mooshammer.
Die Unterlagen aus dem ersten halben Jahrhundert verbrannten im Krieg. Für die Zeit danach würde Karin Thönnissen gern auf Erinnerungen zurückgreifen, vielleicht von ehemaligen Mitarbeitern oder Kunden: "Darüber würde ich mich riesig freuen!"
Für die Ausstellung möchte sie auch die Unterlagen der Wuppertaler Firma Saatweber und Sieper nutzen, denn sie reichen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg: "Damit können wir dann ein ganzes Jahrhundert der Etikettenweberei abdecken", sagt die Historikerin.
Mit dem Rückblick auf die Geschichte der gewebten Etiketten feiert das Textilmuseum Bocholt im März 2009 sein 20-jähriges Bestehen. Auch Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn, würde die Ausstellung "gerne den Krefeldern zeigen".