Museum Burg Linn: Noch mal Perser bei Issos jagen

Linner Schau setzt Erinnerungen frei. Die WZ lädt Leser ein, eigene Erlebnisse aufzuschreiben.

Krefeld. Über 50 Jahre ist das her. Da war ein gewisser Dingsbums in der Quarta eines Internats dafür zuständig, zum Geschichtsunterricht das entsprechende Kartenmaterial aus dem Asservatenraum zu besorgen. Ein Ort der Abenteuer: Da standen, eingerollt und mit Staub bedeckt, Karten von Deutsch-Südwestafrika und von Kioutschau. Afrika war noch kein Flickerlteppich, und die Ausdehnung des römischen Imperiums war auch zu verfolgen - alleine die punischen Kriege.

Eines Tages entschloss sich Dingsbums, den Lehrer zu äffen und zur falschen Karte zu greifen. Es ging um die junge Bundesrepublik, aber am Ständer hing plötzlich das "Deutsche Reich in seiner Ausdehnung von 1938". "Dingsbums, Sie sind ein Flegel", rief der Lehrer, musterte ihn scharf und meinte dann: "Aber lassen Sie mal hängen." So erfuhren wir dann, etwas außerhalb der Reihe, mehr vom Reich, dessen Gründung, von der Erstürmung der Düppelner Schanzen (Na, wissen Sie auch noch was davon?), vom Boxer-Aufstand in China oder vom schmählichen Tod des Maximilian in Mexiko. Der Lehrer kam gewissermaßen vom Hölzken aufs Stöcksken. Und vieles davon ist bis auf den heutigen Tag hängen geblieben.

An diese Stunden eines so ganz wunderbar "verwilderten" Geschichtsunterrichts wird man erinnert, wenn man in diesen Tagen im Museum Burg Linn die Ausstellung "333 bei Issos Keilerei" besucht (bis 5. August).

Die Vitrinen sind gefüllt mit Geschichtsbüchern aus rund 200 Jahren, die Wände mit wunderlichen Karten und Illustrationen bedeckt. Da werden die Schlachten von Marathon und Issos mit dem in Rage geratenen Lehrer noch einmal geschlagen. Wir denken an die leuchtenden Augen des Lehrers, als er vom heldenhaften Kampf der Hopliten des Leonidas in der Felsenenge der Thermopylen berichtete und den Aufmarsch der Perser an die Tafel malte. Im Angesicht der alten Schulbank in der Linner Schau erinnerte sich jener Flegel auch der Sache mit der Ente im Chemie-Unterricht. Anschließend war im Klassenbuch zu lesen: "Dingsbums sperrt Haustiere in den Wandschrank ein."

Diese kleine Linner Schau, die sich zum großen Teil aus dem kleinen Schulmuseum im benachbarten Friemersheim speist, tut zweierlei: Einmal klärt sie über einen 200 Jahre alten, von unterschiedlichen Ideologien besetzten Geschichtsunterricht auf. Dann aber setzt sie in jedem Einzelnen auch Erinnerungen an die eigene Schulzeit frei. Wunderbar, wie man in dieser kleinen Schau - auch während der augenblicklichen Ferienzeit - noch einmal in die eigene Kindheit und in die Schule zurückkehren kann.