Olli Schulz: Liebe und Menschenhass
Der Songwriter ist der geborene Entertainer: Sein böser Witz trifft ins Schwarze, seine Lieder mitten ins Herz.
Krefeld. Ollis Oma hatte Recht. Wenn der Junge mal stirbt, so hat sie gesagt, dann muss man sein Maul noch extra totschlagen. In der Tat läuft das Mundwerk des Olli Schulz im Dauerfeuer. Mitunter bleibt dem Songwriter kaum Zeit für Songs.
An diesem Abend in der Kufa kriegt fast jeder einen Schuss ab: Idioten in Internetforen, die Milchschaum-Muttis aus Kreuzberg, Peter Maffay, Xavier Naidoo, der Kufa-Techniker, der den Beamer nicht ans Laufen kriegt. „Kennt ihr das auch? Menschenhass?“, fragt Schulz nach einer besonders heftigen Tirade ins Publikum. Kommt drauf an, wen es trifft — und bei Schulz trifft’s meistens den Richtigen.
Schwer zu sagen, ob der Hamburger privat ein netter Mensch ist. Ein herausragender Entertainer ist er jedenfalls, ein „Showman“, wie das Plakat verspricht. Einer der geboren ist, aus Anekdoten ganze Welten zu fabulieren, schlagfertig, präzise im Timing, ohne Angst, sich zum Affen zu machen. Bei den meisten Comedians wird weniger gelacht als bei einem Olli-Schulz-Konzert.
Dabei entwickelt der Sänger nie die großmäulige Arroganz und Selbstgewissheit vieler professioneller Witzereißer. Er bleibt der verschrobene Zausel, der sich an der Theke neben dich stellt. Schulz kokettiert mit dem Unperfekten, mit dem Stigma des ewigen Verlierers, der dickköpfig genug ist, der bösen, dummen Welt weiter die Stirn zu bieten.
Wie unperfekt er wirklich ist, zeigen die Lieder. Weder musikalisch noch stimmlich gehört Olli Schulz zu den Großen seines Fachs, doch seinen wunderbaren Songs macht das nichts aus. Sie profitieren sogar davon, wenn sie geschrammelt werden und gelegentlich ein Ton daneben haut.
Lieder wie „H. D. F. K. K.“ oder „Saunaaufguss in Lankwitz“ vertonen den Humor ohne Reibungsverlust, Rocknummern wie „Dein Herz schlägt schneller“ wären tanzbar, wenn die Halle nicht bestuhlt wäre. Doch am stärksten sind die Balladen. „Wenn es gut ist“ oder „Koks & Nutten“ gehen tief rein, dahin, wo das Herz ist
In diesen Momenten wird klar, dass Olli Schulz eine seltene Gabe hat: Unmerklich wandelt er sich vom Quatschmacher zum Poeten und wieder zurück, das Publikum nimmt er jedes Mal mit. Die Kufa ist fast ausverkauft, viele sind wohl hier, weil sie Schulz’ Anarcho-Auftritte auf ZDF neo lieben. Wenn das dazu führt, dass ein Songwriter wie er plötzlich Hallen füllt, ist das mehr als okay. Es ist eine seltene Form von später Gerechtigkeit.