Jugendtheater in Krefeld Rico, Oskar und die vielen Türen
Krefeld · Die nächste Saison am Kresch-Theater beginnt mit einer Adaption eines Steinhöfel-Romans. In der Fabrik Heeder unter Corona-Bedingungen.
In der Fabrik Heeder hängen bunte Fenster in der Luft und bunte unterschiedlich ausgeformte Türen stehen herum. Wer mag hinter diesen Türen wohnen, welche Geschichten verstecken sich hinter den Fenstern? Das Bühnenbild allein zu dem Auftaktstück der Saison im Kresch-Theater, das am 20. September Premiere feiern wird, macht schon neugierig. Und es ist schon eine besondere Premiere, die das Publikum des Kinder- und Jugendtheaters erwartet; alleine schon wegen der besonderen Bedingungen, unter denen derzeit Theater möglich ist.
Nicht umsonst heißt das Motto der Saison – mit einem Blick auf die Corona-Situation, und mit einem Schlenker zum Beuys-Jahr 2020: „Einfach mal anders“. Corona macht vieles komplizierter – so hat das Kresch auch sehr gewissenhafte Hygienekonzepte, damit sich alle so sicher wie möglich fühlen mögen.
Hauptdarsteller sind ein Paar – daher ihre Nähe zueinander
Aber Theater auf Abstand – es sei denn, es spielen auf der Bühne Menschen, die ohnehin zusammen wohnen und leben – ist möglich, aber eben etwas anders. Übrigens: Etwas anders sind auch die beiden Hauptprotagonisten von Andreas Steinhöfels Roman „Rico, Oskar und die Tieferschatten“, das nun in einer Adaption am Theater gezeigt wird. Regisseur Sven Jenkel, der zudem gemeinsam mit Kresch-Leiterin Isolde Wabra auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, musste sich mit den aktuell gültigen Regeln, die auf der Bühne einzuhalten sind, auseinandersetzen. Doch er nahm die Einschränkungen nicht nur einfach hin. Für ihn, so erklärte er uns, können diese Regeln auch so bespielt werden wie bewusste künstlerische Setzungen. Also ein Rahmen, den man sich setzt, in dessen ästhetischem Korsett sich das Stück entfalten soll. Doch von einem Korsett merkt man bei dem ersten Eindruck, den man uns zeigt, wenig. Zum Glück sind die beiden Hauptdarsteller, Philipp Burkhard Winkler und Dorothea Booz, es sind die gleichen wie schon bei dem Stück Karius und Baktus, ohnehin ein Paar. Daher können die beiden sich auch näher kommen als die restlichen Akteure (Thekla Viloo Fliesberg, David Gerlach und Ilka Luza) auf der Bühne. Alle Figuren in diesem Stück wirken wie echte Originale, Menschen wie du und ich und dennoch ein bisschen übrzeichnet, anders.
Aber dieses anders ist eigentlich ganz normal – denn sind wir nicht alle auf unsere ureigene Art etwas anders. Wie traurig und trist wäre die Welt, wenn alle gleich begabt, gleich intelligent – was immer das genau auch heißt – oder vom gleichen Charakter wären; wie gleichförmig und langweilig. Indes sind Rico und sein Freund Oskar, die Hauptprotagonisten der Geschichte, schon auch rein objektiv ein bisschen anders als der sonstige Durchschnitt. Rico besucht eine Förderschule, vielleicht, weil seine Art zu denken und zu begreifen, nicht den üblichen Maßstäben entsprechen mag. Er selbst nennt sich „tiefbegabt“ – sein Freund Oskar indes ist das Gegenteil, er ist „hochbegabt“. Letzterer trägt aber einen Helm, weil er sich gerne mal ein bisschen fürchtet und auf Nummer sicher gehen möchte, wenn es rausgeht.
Die Geschichte ist aber nicht nur eine Freundschaftsgeschichte zwischen zwei Jungs, die eben auf ihre jeweilige Art besonders sind, sondern auch eine Draufsicht auf ein Berliner Milieu. Auch mit Nebenfiguren, Menschen, die gar nicht so weit von der bekannten realen Normalität entfernt und deshalb gerade mit ihren Macken und Schrullen doch herrlich witzig sind. Vielleicht auch Spiegelfläche für die eine oder andere Selbstreflexion? Herrlich kostümiert durch Pia Preuss.
Und die Geschichte, empfohlen ab neun Jahren, ist auch ein Krimi, denn es kommt zu einer Entführung und schließlich zu einer Jagd nach „Mister 2000“. Das Original ist wie ein Ferientagebuch verfasst und schildert die Geschehnisse aus der Sicht Ricos – diese Dramaturgie (Helmut Wenderoth) indes musste für die Adaption ans Theater angepasst werden. Man nutzte zwar eine vorhandene Theaterversion, fütterte sie aber mit weiteren Szenen aus dem Buch an, auf die die Macher dann doch nicht verzichten wollten. Man darf natürlich auch gespannt sein, was es mit den „Tieferschatten“ auf sich hat.
Den wunderbaren Theaterraum der Fabrik Heeder (Virchowstraße 130) großflächig zu nutzen – darauf wollten die Macher auch nicht verzichten. Das Kresch kann mit einer neu angeschafften Wendeltreppe auch die Galerien nun für das Spiel aktiv und ohne Umwege nutzen. Zudem soll es zukünftig eine flexiblere Bestuhlung geben, verriet uns die Theaterleiterin – mit Mitteln aus dem Bundesförderfond für Kultur namens „Neustart“. Das Kresch ist bereit für die kommende Spielzeit – auch unter anhaltenden Corona-Bedingungen.