Sensible Orgel mit barockem Klang

Die WZ stellt die schönsten Instrumente aus Krefelds Kirchen vor. Zum Auftakt: die Van-Vulpen-Orgel in Uerdingen.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Ohne Zweifel sieht die Van-Vulpen-Orgel in der Michaelskirche aus wie ein Instrument aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Doch hinter dem modernen Gehäuse verbirgt sich ein Klangkörper, der ein klares Bekenntnis zu einer historischen Epoche der Orgelmusik ablegt. Die Orgel klingt nach Barock.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

„Ich denke, dass damals Pfarrer und Presbyterium eine Neigung zu barocker Musik hatten“, meint Mi-Hyun Kim, die heutige Organistin. „Bach, Buxtehude oder Bruhns klingen hier schön. Literatur geht höchstens bis Mendelssohn Bartholdy. Kein Reger, keine Franzosen!“ Diese Einschränkung — oder positiv ausgedrückt: Konzentration — auf die Musik des 18. Jahrhunderts spiegelt sich in der Technik wider, die sich eben nicht in dem Gehäuse befindet.

Ganz in historischer Manier müssen hier bei einem Konzert zwei Registranten der Orgelspielerin assistieren, denn es lassen sich keine Registerkombinationen voreinstellen und per Knopfdruck oder Schalter zum Einsatz bringen. Diejenigen der 37 Register, die gebraucht werden, müssen jeweils zum exakten Takt gezogen werden. „Ich überlege gut, welche Übergänge am günstigsten sind“, sagt Kim, damit es keine unnötig langen Pausen oder Probleme gibt. Aber auch das Registrieren mit den Assistenten muss vor einem Konzert geübt werden. Typische Register für die barocke Musik sind die Flöten und Trompeten, aber auch das Krummhorn, das mit seinem leicht quäkenden Ton fast mittelalterlich klingt.

An dieser Orgel müssen die Musiker und ihre Gehilfen ein bisschen Niederländisch können, denn die Register leugnen in ihrer Beschriftung nicht, dass das Instrument aus Utrecht stammt. 1972 wurde die Van-Vulpen-Orgel eingeweiht.

„Sie entstand in der Zeit der preiswerten Orgeln, als schon viel Kunststoff verwendet wurde“, weiß die Organistin. „Aber diese Kopie einer barocken Orgel wurde aus massivem Eichenholz gebaut, es wurde viel Leder verwendet, die Pfeifen haben einen hohen Bleianteil bekommen“. Über Letzteres schwärmt sie besonders: „Das gibt den vollen weichen Klang!“

Aber das Blei hat auch seine Schattenseiten, die sie beim Spielen in der kalten Jahreszeit oftmals erdulden muss. Die Pfeifen reagieren nämlich stark auf Feuchtigkeit und Temperaturunterschiede. Deswegen hat ihr Vorgänger rund fünf Jahre lang die Orgel nicht gespielt. Gut verpackt ruhte das Instrument auf seiner kleinen Empore.

2008 konnte es mit großer finanzieller Unterstützung des Förderkreises für Kirchenmusik der Evangelischen Kirchengemeinde Uerdingen restauriert werden. Hinzu kam auch noch eine neue Heizung, so dass die Gemeinde im Winter nicht mehr für die „normal“ besuchten Gottesdienste in die Turmkapelle ausweichen muss.

Sanfte Temperaturanstiege, die der Orgel nicht schaden, sind in dem Kirchenraum, der gerade sein 50-jähriges Jubiläum feiert, jetzt möglich. Aber trotzdem sitzt die Organistin im Winter warm angezogen und mit Stulpen über den Handgelenken an ihrem Instrument und taucht am liebsten in die Klangwelt des 18. Jahrhunderts ein. „Die barocke Orgelmusik ist so herrlich artikuliert; die Feinheit und Leichtigkeit finde ich ganz schön“, sagt Mi-Hyun Kim.