Krefelder Kultnacht So war das Folklorefest 2015

Der Freitagabend gehörte beim Folklorefest auf dem Platz an der Alten Kirche ausschließlich lokalen Bands.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Ein Abend, der zeigen soll wie Krefeld klingt. Auf dem Weg klingt es nach Stadt. Auf der Philadelphiastraße lärmen die Autos. Fette Beats schallen aus einem tiefergelegten Wagen; Fahrradklingel, Kinderrufe am Spielplatz Richtung Südwall. Dann, vor der Folklorefest-Bühne an der Alten Kirche wird klar: Krefeld klingt gut.

Die Bühne für das Provinztheater gleicht einem alten Wohnzimmer. Das passt zu der angerauten Rumpel-Polka irgendwo zwischen bluesgetränktem Walzer kurz vor der Zerreißprobe, hüpfenden Ska- und leichtfüßigen Bossa Nova-Einflüssen. Überragend ist das „Biest“ der Band, alias Schlagzeuger Eberhardt Linde, der das bunte Klangkarussell bestehend aus Kontrabass, Gitarre, Akkordeon, Posaune, Piano und Kuhglöckchen nach Belieben druckvoll antreibt oder locker an der Off-Beat-Leine hält.

Humoristische Einwürfe umschnüren das Unterhaltungspaket der Band, die ihr Lokalkolorit liebevoll spazieren führt. Der „Express einsamer Herzen“ vom Hauptbahnhof nach Oppum wird unter anderem über Forstwald, Köln und Dormagen umgeleitet, erklärt Kontrabassist Richard Duwel im niederrheinischen Schaffnerslang.

Sänger Pawel Kowlaczik lässt die Kulturrampe hochleben, in der am Donnerstag noch ein neues Musikvideo gedreht wurde. Dann kommt noch die von zuckersüßer Melancholie getragene Ballade „Wie schön“.

Wie schön jugendliche Energie klingen kann, wenn sie sich in handgemachter Rockmusik entlädt, haben auch die Fog Joggers schon auf ausgedehnten Touren quer durch die Republik gezeigt. Als sie ihre Folklorefest-Premiere mit einem angenehm hingerotzten „Forever and a Day“ angehen, scheint ganz Kultur-Krefeld auf den Beinen.

Aber das Mitteilungsbedürfnis ist so groß, dass selbst Rampensau Jan Büttner Schwierigkeiten hat, einen hörbaren Publikumschor auf die Beine zu stellen. Die vier Fog Joggers machen das einzig richtige und werfen sich in den nächsten Ohrwurm-Refrain. Spätestens bei „Waiting In The Wings“, (ja, das aus der Bierwerbung) ist das Publikum wieder an Bord. Die erprobte Mischung aus angezerrtem Gitarren-Sound, Orgelklängen der 60er-Jahre und Büttners rauchigem Gesang zündet immer noch.

Dann geht es ans Eingemachte der „Krefelder Kulturnacht“. Moderator Helmut Wenderoth sagt Tchalo an. „Oriental-Rock vom Niederrhein“, klärt der künstlerische Leiter des Kresch-Theaters vor allem jüngere Semester über eine Band auf, die in den 80er-Jahren vor allem im „Hippie-Refugium“ Blauer Engel zu finden gewesen sei. Euphorie macht sich breit, als Tchalo ihren Ethno-Rock nach vielen Jahren der Abstinenz wieder auf die Bühne bringen.

Sänger und Gitarrist Azze-Edine Mihoubi, der aus Algerien nach Krefeld kam, um zu studieren, strahlt vom ersten Moment Spielfreude aus. Die Mischung aus orientalischen Sound und Rhythmen und rockigen Gitarren geht direkt in die Hüften.

Sänger Mihoubi spielt Akustikgitarre, singt auf Arabisch oder Französisch, macht Tempo mit einer Handtrommel und tänzelt ausgelassen über die Bühne. Das Sextett überzeugt mit seiner umfangreichen Soundpalette aus treibender Rhythmusgruppe, angenehm ausufernden Gitarrensolos, melodischer Querflöte und auch mal wehmütigem Akkordeon.

Dann ist es Zeit für den furiosen letzten Akt. M. Walking On The Water beginnen mit einem wilden Ritt, irgendwo zwischen David Bowie und Lou Reed. Axel Ruhlands Streicherquartett gibt den Songs Dichte und beim majestätischen Refrain von „Love Is On Your Side“ hat man das Gefühl, die Zeit sollte für einen Moment stehen bleiben.

Ein großer Moment ist es, als Jansen und Mike Pelzer Rücken an Rücken einem tosenden Finale entgegen schreiten. Die Fans stehen im einsetzenden Regen, doch die beiden laden zur „Party In The Cemetery“ und der Pogo geht ab auf dem Platz.

Nach dem letzten Ton setzt ein tiefes Donnergrollen ein. Der Schlussakkord eines Krefelder Musikabends, der zeigt, dass diese Stadt viele musikalische Gesichter hat, experimentierfreudig, international, gewitzt ein bisschen melancholisch und wild, aber bestimmt nicht langweilig.