Premiere Das Publikum darf Voyeur sein

Krefeld · Das Ehedrama „Szenen einer Ehe“ nach Ingmar Bergmann feiert am 16. Juni Premiere im Theater Krefeld.

Bruno Winzen verkörpert Ehemann Johan.

Foto: Matthias Stutte

Es ist die letzte Schauspiel-Premiere der laufenden Spielzeit und sie hat Brisanz: Ingmar Bergmanns „Szenen einer Ehe“. Das berühmte Ehedrama des schwedischen Regisseurs war im Kino ein weltweiter Erfolg, als Fernsehserie in Schweden und Deutschland ein Straßenfeger und er selbst brachte den Stoff schon Anfang der achtziger Jahre am Münchner Residenztheater auf die Bühne. Jetzt spielt die lebensnahe, äußerst realistische und sehr intensiv erzählte Geschichte der Liebe von Johan und Marianne im Krefelder Theater. Premiere der „Szenen einer Ehe“ ist am Sonntag, 16. Juni, um 18 Uhr. Es gibt sieben Vorstellungen, das Stück dauert samt Pause 120 Minuten. Die Soiree fand bereits am Sonntag, 2. Juni, statt.

Dramaturg Martin Vöhringer erklärt: „Wir arbeiten bis zur letzten Minute an diesem Stück. Die Bergmann-Foundation gibt die Erlaubnis: Wir haben Material, in dem jeder, der damit umgeht, seine eigene Fassung, seine eigenen Fantasien eingeben kann.“ Schauspieldirektor Martin Gehrt berichtet, dass die Krefelder Produktion die Geschichte aus dem Dunstkreis der Nach-68er-Jahre in die Gegenwart holt. „Wir lieben das Risiko“, sagt der Regisseur. Denn mit Esther Keil und Bruno Winzen spielen in Krefeld nur zwei Personen: Die beiden Hautdarsteller, die bis zur Atemlosigkeit spielen - der Atemlosigkeit des Publikums auf 800 Plätzen und vielleicht auch nahe der eigenen Grenzen. „Die beiden können nur in der Pause Luft holen“, sagt Gehrt.

„Es ist eine ungewöhnlich persönliche Veranstaltung in glänzender Besetzung, ein Hereinbewegen in Konflikte“, so der Schauspieldirektor weiter. Die Frage habe sich gestellt: „Wie privat werden wir?“ Es wird viel gesprochen, die Gespräche eskalieren bis zur körperlichen Attacke. „Wir hätten uns früher prügeln sollen“, heißt es an einer Stelle. Schonungslose Offenheit, Zündstoff pur.

„Das Kammerspiel lebt vom Dialog“, sagt er weiter. „Wir konzentrieren uns auf den Verlauf ehelicher Entwicklung. Darin läuft die Kunst des Unter-den-Teppich-Kehrens wie geölt. Nichts wird ausgetragen, nach der Scheidung folgt die erneute Annäherung.“ Es sei eine Hommage an die Liebe, der Versuch zu zweit zu leben, mit all seinen dramatischen Aufs und Abs. Ein Ehespiel mit schonungsloser Offenheit. „Es geht emotional hoch her.“

Um die beiden Hauptdarsteller mit ihren ganzen Konflikten noch enger aneinander zu binden, hat Gabriele Trinczek einen weißen Kubus vorne an die Große Bühne gestellt. 14 Meter breit, 2,50 Meter tief und ebenso hoch. Er ist leer, ohne Fenster, ohne Türen, nah am Publikum. „Sie können ihm nicht entfliehen, sind gefangen mit sich“, so Trinczek. „Sie gucken nie raus, sind nur mit sich selbst beschäftigt.“ Gehrt: „Es gibt eine innere und äußere Welt. Es ist ein theaterinternes Experiment. Das Publikum darf Voyeur sein. Es wird über Dinge geredet, die sonst nicht thematisiert werden. Johan und Marianne fassen alle Konflikte in Worte, in emotionaler Not. „Manchmal hat man das Gefühl, Mann und Frau telefonieren mit kaputten Telefonen“, heißt es im Stück einmal. Ob sich im Zeitalter der Handys viel geändert hat?