Tanz-Festival: Mit dem Körper die Mauern sprengen

Die Compagnie Increpación Danza aus Barcelona setzt mit dem Stück „Wad Ras“ einen umjubelten Schlußpunkt bei Move.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Kurz und prägnant hallen heftige Trommelschläge im Dunkeln. Es wird heller und man sieht fünf Frauen am Boden liegen. In grauen Hosen und weiten Hemden bekleidet, die Haare offen, beginnen sie, sich zu bewegen. Neben jeder von ihnen steht eine schlichte Holzkiste, die sie allmählich in ihre Bewegungen mit einbeziehen. Es sind Cajons, sogenannte Kistentrommeln, die einzigen Requisiten des Abends, der ein beklemmendes Thema faszinierend umzusetzen weiß.

Mit ihrem bereits im Jahr 1995 kreierten Stück „Wad Ras“ setzte die Compagnie Increpación Danza aus Barcelona einen umjubelten Schlusspunkt des diesjährigen Tanzfestivals Move in der Fabrik Heeder. „Wad Ras“ ist der Name eines Frauengefängnisses in Barcelona.

Die Verzweiflung des Gefangenseins, die Monotonie aber auch Brutalität dieser Situation wird in der Choreografie von Montse Sánchez und Ramón Baeza zu einem knapp einstündigen hinreißendem Tanzstück.

Dabei verbinden sich Elemente des andalusischen Flamencos mit modernen Elementen, denen die permanent zu Einsatz kommenden Cajons eine rhythmische Struktur geben. Sie werden nicht nur als Schlaginstrumente, sondern auch direkt in den Tanz miteinbezogen. Als Requisiten deuten sie Mauern oder einen Platz im Gefängnishof an.

Die Bühne ist diesmal nach hinten komplett offen, die nackten Mauern und die trotz der Raumhöhe sichtbaren Begrenzungen lassen den Ort wirklich als Gefängnis erscheinen.

Eine subtile Lichtregie, immer wieder eingespielte Gitarrenklänge und klagender weiblicher Gesang erzeugen eine spanische Atmosphäre, der hier so gar nichts Folkloristisches anhaftet. Im Gegenteil.

Hier stehen Verzweiflung, Schmerz und eine immer wieder unkontrolliert ausbrechende Leidenschaften im Mittelpunkt. Mit jeder Faser ihres Körpers, jedem Klatschen der Hände oder dem Trommelwirbel der Füße bringen die fünf Frauen dies großartig zum Ausdruck.

Von Beginn an herrscht eine zum Zerreißen angespannte Atmosphäre, die sich ganz unvermittelt immer wieder entlädt. Manchmal genügt nur ein Blick, eine Geste und eine fast noch zärtliche Szene schlägt in Gewalt um. Faszinierende Zweikämpfe sind zu sehen, die erst sehr spielerisch, später brutal ausgefochten werden.

Dazwischen gibt es auch berührende ruhige Szenen, wenn die Gefangenen sich mit Klopfzeichen zaghafte Signale zusenden. An anderer Stelle entblößen die Tänzerinnen eine Schulter und schlagen rhythmisch mit ihrer Hand auf die nackte Haut.

In der Schlussszene bewegt sich jede einzeln im furiosen Flamencorhythmus von rechts nach links über die Bühne, als wollte sie mit ihrem Körper die Mauern sprengen. Doch es zerbricht nur ein Teller und die klirrenden Scherben setzen den Schlussakkord unter diesen eindrucksvollen Abend.