Theater: "Hagel auf Zamfara" - Eine Frau im Feindesland

„Hagel auf Zamfara“ — ein starker Abend ohne plumpe Botschaften.

Krefeld. Am liebsten sind ihr Männer, die sie sich ausgedacht hat. Der reale Gatte trinkt und beschimpft sie, sucht sich fürs Bett eine jüngere — bis er sie eines Nachts doch packt, vergewaltigt und schwängert.

Die namenlose Frau, verhüllt mit dem Tschador und treu im Gebet zu Allah, muss Unsägliches ertragen. Und da sie nicht viel zählt in ihrem Land, ist sie chancenlos, als ihr Mann behauptet, sie sei eine Ehebrecherin. Das Urteil steht fest: Tod durch Steinigung.

Eine Stunde wartet das Publikum in der Fabrik Heeder mit der unschuldigen Frau auf die Vollstreckung der Strafe, schaut zurück auf die heimische Hölle, in eine Rechts- und Gesellschaftsform, deren rigides mittelalterliches Wertesystem wütend macht.

„Die Welt interessiert sich für afrikanische Frauen nur, wenn wir an der Schwelle zum Tod stehen“, sagt Sefi Atta, Autorin von „Hagel auf Zamfara“.

Ihr Stück, uraufgeführt vom Stadttheater, ist ein Beleg für diesen bitteren Satz: Es rüttelt auf und wirkt nach — mehr als gut gemeinte Kampagnen von Menschenrechtlern und kritische Artikel von Journalisten. „The Sentence“ (Die Strafe), wie das Stück im Original treffender heißt, ist pures Theater. Es erzählt in starken Bildern von Menschen, statt plumpe Betroffenheits-Botschaften zu verkünden.

Regisseur Nicholas Monu, Nigerianer wie die Autorin, sperrt seine Heldin in einen Käfig aus hunderten Eisenketten ein und stellt sie mit den Füßen auf die Buchstaben des Gesetzes. Selbstbewusst und nuancenreich spielt Marianne Kittel ihre erste große Rolle in Krefeld, als Frau, die im ewigen Feindesland hart und kalt geworden ist, die ihr Schicksal akzeptiert, obwohl sie es als ungerecht erkennt, deren Sehnsüchte auf herzzerreißende Weise hinter der Verhüllung sichtbar werden.

Über ihr thronen ihr Ehemann (Adrian Linke) und seine junge Zweitfrau (Felicitas Breest), die ihm nach drei Töchtern endlich einen Sohn schenkt. Als er zu viel schreit, bringt sie den Säugling um und berichtet es in ausdruckslosem Ton, als sei bloß ein Glas Milch umgekippt. Breest hat als trotziger Teenager im Ehekäfig ganz starke Momente, allein durch ihre wandelbare Stimme, die gar das markerschütternde Babyweinen perfekt imitiert.

Der Tod seines Kindes bricht dem Mann, diesem rastlosen Säufer, das Herz. Er begräbt den Säugling eigenhändig, kalte Erde rieselt in den Zuschauerraum. Linke ist furchterregend in seiner Verzweiflung und Brutalität. Ein fluoreszierender Anzug (Bühne und Kostüme: Frank Hänig) lässt ihn zur Echse werden, die feige die Wände hochkriecht.

Hier wird einmal mehr klar, worum es Sefi Atta geht: Ihr Stück spricht mit fester einprägsamer Stimme nicht gegen den Islam — sondern für die Menschen.