Verschollen - eine Tragödie sieht anders aus

Vertanzte Musik von Leos Janácek und Olivier Messiaen.

Krefeld. Vor vier Jahren wäre Leo Janácek 150 Jahre alt geworden, und Olivier Messiaens 100. Geburtstag wird im kommenden Dezember gefeiert. Vor allem von Janácek, einem Vorreiter der Moderne und Messiaen, einem der großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, stammt die Musik zu "Verschollen", einer Balletturaufführung im Krefelder Stadttheater. Regisseur Christian Tombeil und Choreograph Robert North wagen die Verschränkung von Choreographie und Liederabend, doch gerät ihnen das zu behäbig.

Das szenische Geschehen bleibt hinter der Modernität der Musik zurück.Mit Janáceks Klavierzyklus "Auf verwachsenem Pfade" beginnt es. Der musikalische Leiter André Parfenov sitzt selbst am Flügel, sein klar strukturierter Vortrag trägt die Aufführung auch über ihre Schwächen hinweg.Janácek hat im "Pfad" die Trauer über den Tod seiner Tochter Olga verarbeitet.

Ein Birkenwald liefert die liebliche Kulisse für den Abend, Janácek (Razvan Craciunescu) sitzt zu Beginn in einem Häuschen davor (Ausstattung: Andrew Storer) und hängt in Gedanken seiner Tochter (Karine Andrei-Sutter) nach. Skizzenhaft wird dann der zu kurze Sommer dieser jungen Frau gezeigt. Junge Männer umschwärmen sie, einen erwählt sie zum Freund (Ediz Erguc).

Janácek will in den Reigen eingreifen, doch bleibt ihm nur, die sich vor Schmerzen Krümmende ziehen zu lassen.Die Musik des Zyklus ist lyrisch, transportiert aber weniger Trauer, vielmehr einen sehnsuchtsvollen Rückblick. Das Drama liegt hier schon weit zurück, dann kommt es aber bestimmt im zweiten Teil, denkt man sich.Aber auch in dem choreographierten Liederzyklus "Tagebuch eines Verschollenen" wartet man auf die Tragödie vergeblich, obwohl der Stoff sie hergibt.

Der Bauer Jan (Tenor Hans-Jürgen Schöpflin) hat sich in die Zigeunerin Zefka (getanzt von Julia Hartmann, gesungen von der Altistin Susanne Seefing) verliebt. Für sie wird er am Ende seine Familie verlassen. Sein Ringen zwischen Schuldgefühlen und dem Drang, seiner Liebe zu folgen, findet aber fast ausschließlich in der vormodern zerrissenen Musik und dem Gesang statt.Auf der Bühne tummelt sich allegorisches Personal (Schwalben, ein Käuzchen, Glühwürmchen), für das North sehr konventionelle Schritte choreographiert hat.

Das Konventionelle, das sich auch in pseudo-folkloristischen Kostümen ausdrückt, ist jedoch nicht das Problem. Vielmehr erweist sich Schöpflin, auf dem fast immer der Fokus liegt, als unfreiwillige Bremse. Seine Bewegungen wirken zu statisch, stehen einer dynamischeren Entfaltung im Weg.Drei Sätze aus Messiaens "Quartett auf das Ende der Zeit" (zum Klavier treten noch Violine, Cello und Klarinette) liefern die Basis für Zwischenspiele. Da geht es auf der Bühne kurzfristig so lebendig zu, dass man gepackt wird. Leider nur dort.