Galoppsport Der Spitzenreiter der Minus-Werte

Krefeld · Analyse Das sind die Probleme in Krefeld im Besonderen und des deutschen Galopprennsports im Allgemeinen.

Die Galopprenbahn in Krefeld ist architektonisch ein Schmuckstück, sportlich hat sie an Wertschätzung eingebüßt.  Foto: Tuchel

Die Galopprenbahn in Krefeld ist architektonisch ein Schmuckstück, sportlich hat sie an Wertschätzung eingebüßt. Foto: Tuchel

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Der Sport mit den Rennpferden der Rasse Vollblut galoppiert in Deutschland derzeit auf drei Beinen. Seit 1821 in Aachen stiegen hierzulande Galopprennen. Mit Pferden, die seit über 300 Jahren auf Geschwindigkeit gezüchtet werden: ungefähr zehn Zentner schwer und bis zu 60 km/h schnell. Fast alle Rennvereine haben große finanzielle Probleme, weitgehend sorgenfrei sind nur Düsseldorf, Bad Harzburg und Mannheim. Die für die Veranstalter besonders ertragreichen Wettumsätze direkt auf den Bahnen sind in den letzten Jahren deutlich bergab gegangen: von 60,5 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 14,3 Millionen Euro in der Saison 2017. Ähnlich sieht es bei den Wettumsätzen außerhalb der Bahn aus: von 64,5 Millionen Euro in 2000 auf 10,8 Millionen Euro im Jahr 2017.

Eine wesentliche Ursache sind die Abflüsse der Wetten über Internet-Anbieter in Steueroasen wie Malta und Gibraltar. Zudem ist es dem Dachverband in Köln bisher nicht gelungen, die von den selbstständigen Buchmachern gezahlten Steuern für die Zwecke des Galopprennsports zurück zu bekommen. Gespräche laufen seit Jahren – ohne Erfolg. Niemand kennt die exakten Summen, es muss sich um Millionenbeträge handeln.

Der Kunde sucht sich
andere Alternativen

Der Galopprennsport hat keine Lobby in der Politik, auch deshalb hat man sich mit dem langjährigen Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, einen Netzwerker in Politik und Sport in den Sattel geholt. Zudem wurden die Abzüge von den Wetteinsätzen ständig erhöht, der Kunde bekommt weniger Geld zurück, sucht sich andere Alternativen. Jetzt wurde immerhin beschlossen, die Abzüge von den Einsätzen um fünf Prozent zu senken. In Krefeld sind das dann 23,2 Prozent bei Sieg-und Platzwetten und 34,53 Prozent in den Platz-Zwilling, Zweiter-Dreier und Viererwetten. Wobei diese Wettarten die höchsten Umsätze erreichen, von den Kürzungen um fünf Prozent aber nicht betroffen sind.

In Krefeld finden nur
noch sechs Rennen statt 

Eine besondere Rolle in der Negativ-Entwicklung nimmt Krefeld ein. Im Jahr 2000 betrug der Wettumsatz 4,1 Millionen Euro, im letzten Jahr nur noch 695 850. Den Wert wird Krefeld 2018 nicht erreichen. Das liegt auch an der Philosophie, nur noch jeweils sechs statt der üblichen acht oder neun Rennen zu veranstalten. Die Entwicklung wurde bei der Versammlung der Besitzer in Iffezheim heftig kritisiert (die WZ berichtete). Nicht nur von den Eigentümern der Pferde, sondern auch von den Trainern.

Der Vorsitzende der Technischen Kommission, Rolf Leisten, sagt: „So etwas ist doch kein Angebot, das man ernsthaft als Aussage unseres Sports ansehen kann.“ Der als Gast in der Sitzung anwesende Krefelder Vizepräsident Denis Hartenstein konterte: „Uns kostet jedes Rennen Geld. Aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise können wir nicht mehr als sechs Rennen anbieten. Wir haben noch 32 Rennbahnen und können es uns als Sport nicht leisten, dass auch noch Krefeld wegfällt.“

Die Bahn in Frankfurt am Main fiel der Akademie des Deutschen Fußball-Bundes zum Opfer, in Bremen soll die Rennbahn bebaut werden. In Halle an der Saale ruht der Rennbetrieb seit 2013 nach Hochwasserschäden, in Neuss kriselt es chronisch, und in Mülheim/Ruhr hat kürzlich eine Ü 70-Besitzergruppe die Bahn aus der Zwinge der Insolvenz des alten Vereins befreit.

Umsatzrückgang von bis
zu 56,9 Prozent

Das Fachblatt Sport-Welt schockte die Szene jetzt mit der Veröffentlichung von Top-Fünf-Zahlen im Plus- und Minus-Bereich. Keine andere Rennbahn kam so oft im Minus-Bereich vor wie Krefeld: Beim Umsatzminus 2018 am 12. Juli von 32,7 Prozent gegenüber 2017. Beim Minus beschränkt auf die Bahnumsätze der jeweils sechs Rennen ist Krefeld Spitzenreiter am 13. Mai mit 56,9 Prozent weniger als 2017. Auch bei der Vorwette, den Außen-Umsätzen, führt die Seidenstadt mit dem Renntag am 22. Juni mit 48,4 Prozent. In den Plus-Statistiken kommt Krefeld nicht vor.

Neben vielen anderen Problemen wie wenigen Sponsoren, vielen Besuchern ohne echtes Interesse an Wetten, sondern mehr an den ausgestellten Autos und Verkaufsbuden ist das Seidenstadt-Hippodrom gegenüber Bahnen wie Hamburg, Hannover, Köln, Düsseldorf, Iffezheim, Mannheim, München, Bad Harzburg und jetzt auch Mülheim/Ruhr in der Besetzung des Vorstandes in einem nicht wettzumachenden Nachteil. In Krefeld sind keine Besitzer oder Züchter in der Verantwortung, sondern Leute, die es aus Zuneigung zu ihrer Heimatstadt, mit Leidenschaft und ohne Profit für sich machen.

Wobei es sich dabei um eine Kernfrage der gesamten Szene handelt: „Warum soll sich jemand um einen Rennverein kümmern, wenn er kein Pferd besitzt?“

Auch deshalb ist eine Ämterhäufung im deutschen Galopprennsport Alltag, wird von dieser „geschlossenen Gesellschaft“ längst als normal erachtet. Darüber hat sich auch der neue Verbandspräsident Michael Vesper schon sehr gewundert.