Schöffe: Markus Stammen ist juristischer Laie

Der Krefelder kann das Pflichtamt am Gericht nicht ablehnen. Als juristischer Laie muss er sich mit den Paragrafen auseinandersetzen, ist an den Urteilen beteiligt.

Krefeld. Eigentlich wollte Markus Stammen nie Schöffe werden. Doch vor gut vier Jahren kam ein Brief von der Stadt Krefeld: Stammen wurde zum Schöffen, also zum ehrenamtlichen Richter, benannt. „Das ist so ein Pflichtamt, das man zugeschmissen bekommt und das man nicht abweisen kann“, sagt er.

Fünf Jahre muss der 50-Jährige am Krefelder Amtsgericht Prozesse verfolgen, so lange dauert die Amtszeit. Vier hat Stammen, der eigentlich in einem Maschinenbauunternehmen in Krefeld arbeitet, schon geschafft.

„Die Zeit hat mich nicht dümmer gemacht“, stellt der Nettetaler fest. „Es wird einem sehr deutlich, dass bei einem Strafprozess ausschließlich die nackten Fakten bewertet werden. Das zu lernen ist schon interessant.“

Acht Termine besucht Stammen in einem Monat, damit hat er sein Jahrespensum erfüllt. Dazu kommen Fortsetzungstermine, wenn das Verfahren nicht an einem Tag abgewickelt wird.

„Die Hälfte der Prozesse sind Drogendelikte“, berichtet Stammen, „das sind meist völlig uninteressante Fälle, die nur durchgewinkt werden. Die Täter sind immer geständig“ Aber auch Prozesse zu Vergewaltigung und Zwangsprostitution verfolgt Stammen von seinem Platz neben dem hauptamtlichen Richter aus. Theoretisch haben er und sein Mitschöffe sogar das gleiche Stimmrecht wie der Berufsrichter.

In der Praxis spiele das aber keine große Rolle. „Wir werden auf jeden Fall ernst genommen, aber Einfluss haben wir im Grunde kaum“, bemerkt Stammen. Manche Begriffe müsse man erst erklärt bekommen, Fragen der Schöffen werden dem Richter auf einem kleinen Zettel zugeschoben. „Wenn mit Paragrafen hin- und hergeschmissen wird, versteht man eh nichts“, sagt Stammen.

Die Urteilsfindung sei dennoch kein Problem. „Meist schlägt der Richter den Schöffen das Strafmaß vor und die sind sich dann mit ihm einig.“ Das geschehe nicht in der Öffentlichkeit, sondern vor der Urteilsverkündung im Richterzimmer. Dort erkläre der Richter den Schöffen die Strafe.

„Ich glaube, das ist auch eine Art Gewähr für den Richter“, meint Stammen. Denn der habe ein anderes Verhältnis zur Gerechtigkeit. „Der Laie urteilt meist nach dem gesunden Menschenverständnis, auch wenn er sich von Gefühlen und Sympathien leiten lässt — und eigentlich keine Ahnung hat“, sagt Stammen. Dadurch, dass der Richter den Schöffen die Strafe erläutern muss, reflektiere er diese noch einmal. „Und am Ende wird gefragt, ob wir alle drei der gleichen Meinung sind.“

Die Strafen, die der 50-Jährige so mitverantwortet, würden ihn selbst aber nicht belasten. „Nur über den Fall an sich denke ich manchmal noch drüber nach“, erzählt er.

Das Schöffenamt habe für ihn schon einen gewissen Reiz. „Es ist einfach eine völlig andere Arbeitswelt als die, in der ich sonst unterwegs bin“, berichtet er. „Da ticken die Uhren schon anders. Sobald man das Gericht betritt, schlägt einem eine ganz andere Luft entgegen.“ Keine Computer, keine Smartphones, sondern dicke Aktenordner auf kleinen Wägelchen. Das hat bei Markus Stammen Eindruck hinterlassen — und obwohl der Nettetaler zu dem Ehrenamt gezwungen wurde, kann er sich durchaus vorstellen, sich für die nächste Amtszeit freiwillig zu bewerben.