Sektenarzt: Jetzt kommt wieder Schwung ins Verfahren
Ein Dolmetscher ist vonnöten. Hartmut H. lebt mit seiner Frau in Krefeld.
Krefeld. Die rechtskonservative Regierung ist nach nur zwei Jahren in Chile abgewählt worden — im März tritt erneut die sozialistische Michelle Bachelet das Amt als Regierungschefin an. Und damit dürfte auch wieder Schwung in die Aufdeckung von Verbrechen in der deutschen Sekte Colonia Dignidad (heute: „Colonia Bavaria“) im Süden Chiles kommen. Der Krankenhausleiter der einst nazistischen Vereinigung, Hartmut H. ist bekanntlich vor zweieinhalb Jahren von Chile nach Deutschland geflüchtet, um einer mehrjährigen Gefängnisstrafe zu entgehen. Weil es mit Chile keine entsprechenden Abkommen gibt, steht der rechtskräftig verurteilte 69-Jährige unter dem Schutz des Grundgesetzes.
H. lebt mit seiner Frau, einer einstigen Krankenschwester der Colonia, mitten in Krefeld. Er darf zwar nicht ausgeliefert werden, aber dennoch läuft gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Krefeld seit Ende 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen Straftaten, die noch nicht verjährt sind. Er bekommt eine kleine Rente. Darüber, ob er dazu Grundsicherung vom Sozialamt bekommt, schweigt die Stadt. Eingeweihte sind sich sicher, dass große Geldbeträge irgendwo gebunkert sind. Flüge, Mietkaution und Mieten hat er anfangs stets bar bezahlt.
Der Sektengründer und Kinderschänder Paul Schäfer (Heimatstadt Siegburg, von dort unter dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs nach Südamerika geflüchtet), ist schon lange tot. Er starb in Haft. Die chilenische Justiz hat H. 2012 höchstinstanzlich zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er Schäfer Jungen und Mädchen aus abhängigen Familien zugeführt hat.
Die Ländereien der Colonia Dignidad sind fast so groß wie das Saarland. Die armen Campesinos waren auf den Lohn angewiesen, die sie in der dignidad’schen Landwirtschaft verdienten. Sie mussten miterleben, wie sich Schäfer an ihren Kindern verging. An einem Tag waren Jungen, am anderen Mädchen an der Reihe. Das berichtete ein früherer Colonia-Bewohner, der heute in der Nähe von Bremen lebt, der WZ.
Oberstaatsanwalt Axel Stahl, Sprecher der Behörde, bestätigte jetzt der WZ, dass auf das Rechtshilfeersuchen seines ermittelnden Krefelder Kollegen umfangreiche Post aus Santiago de Chile eingetroffen ist. „Die Akten müssen aber noch übersetzt werden“, glaubt Stahl nicht an ein ganz schnelles Verfahren. Bereits vor knapp zwei Jahren hatte die Krefelder Justiz knapp 60 000 Euro in Übersetzungen aus dem Spanischen investiert.