Sind wir nicht alle ein wenig anders?

Zum Tag des Down-Syndroms stellen wir die Familie Becker vor. Leonie und Carlotta haben Trisomie 21. Das ist ihre Geschichte.

Sind wir nicht alle ein wenig anders?
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Munter spielt die zweijährige Carlotta vor dem Sofa auf einem weichen Teppich. Rundherum hat sie ihr Spielzeug verstreut. Sie strahlt den unbekannten Besuch freundlich an und erklimmt die Stufe zur Essecke. Sie wechselt auf Papas Arm, zurück auf den Boden, hin zur Mama und wieder zurück: Bei beiden holt sie sich ihre Schmuseeinheiten ab, genauso wie ein paar Kekse.

Vor einem Jahr, als Baby, kam Carlotta zu ihren Pflegeeltern Marion und Wolfgang Becker nach Lindental. Die Kleine hat das Down-Syndrom und wächst in einer bunten Patchworkfamilie auf. Im Hause leben auch Leonie (13 Jahre) und Miguel, beides Kinder mit Behinderung, nebenan die Großmutter. Leonie hat wie Carlotta das Down-Syndrom. „Menschen mit Down-Syndrom sind genauso unterschiedlich wie Menschen ohne Behinderung“, erzählt Marion Becker aus Berufs- und Lebenserfahrung.

So hätten Viele einen angeborenen Herzfehler und seien oft schlapp. Auch ihre beiden Mädchen mussten früh am Herzen operiert werden. Dank des medizinischen Fortschritts gelangen die Eingriffe aber ohne Probleme. Ein weiteres Merkmal des Down-Syndroms ist das Hunger- und Sättigungsgefühl. Dies stelle sich häufig langsamer ein, was zur Folge hat, dass einige übergewichtig sind. „Aber das kann man nicht pauschal sagen“, erklärt Becker. „Leonie isst zum Beispiel normal. Sie hat sich prima entwickelt.“ Allerdings sei Leonie ein wenig arglos. „Wenn Menschen ihr Böses wollten, wäre sie ihnen ausgeliefert.“ Marion Becker wusste schon vor Leonies Geburt von ihrem Down-Syndrom, auch Trisomie genannt. Sie hat sich mit dem Thema beschäftigt und für Leonie entschieden. „Die Menschen hätten mehr Verständnis, wenn sie mehr über die Kinder mit Down-Syndrom wüssten“, findet Becker. Schon als Leonie auf die Welt kam, hatte Marion Becker sich vorgenommen, ein weiteres Kind mit Behinderung aufzunehmen.

So stieß Miguel sechs Jahre später, 2010, als Pflegekind zu ihr dazu. Im selben Jahr traf sie auch ihren zukünftigen Ehemann Wolfgang Becker wieder. Beide kannten sich von früher aus der Nachbarschaft und kamen über den Hund „Dino“ zusammen. Den Terriermischling hatte Marion Becker aus einem Tierheim geholt. Wolfgang Becker, der zwei erwachsene Kinder um die 40 hat, musste sich auf die neue Konstellation erstmal einlassen. Denn das Leben mit drei behinderten Kindern ist nicht einfach.

Leonie besucht die Bodelschwingh-Schule in Gartenstadt, Miguel geht zur Gerd-Jansen-Schule. Beide werden morgens abgeholt und nachmittags nach Hause gebracht. In den Förderschulen erleben sie keine Berührungsängste. Tagsüber ist Carlotta der Mittelpunkt. Leonie verschwindet nach ihrem Schultag meist erst in ihr Zimmer, um abzuschalten. Das kann sie am Besten bei deutscher Schlagermusik. „Sie kann alle Schlager seit 1960 auswendig“, erzählt Marion Becker und ist gespannt, wie sich die kleine Carlotta entwickeln wird.

Die engagierte Frau zieht für sich das Fazit, dass das Leben in dieser Konstellation mit viel Disziplin, vielen Regeln, genauem Hinschauen und sehr viel Zeit funktionieren kann. Mit der ihnen eigenen Umsicht haben die Beckers auch die Zukunft geplant. In einem Sorgerechtstestament geben sie die Verantwortung für die drei jüngeren Kinder an die Älteren weiter.

Marion Beckers große Töchter sind inzwischen um die 30, und die ältere hat sie auch schon zur Großmutter gemacht. Ihre Enkelin ist gleich alt mit Carlotta: „Die beiden lieben sich“, sagt sie. Wenn die beiden Großen aus der Schule zurück sind, unternehmen die Beckers oft Spaziergänge mit dem Haflingerpferd Martin — eine Freude für die Kinder und die Eltern.

Oder sie fahren in einen Freizeitpark in der Nähe von Kevelaer: „Dort können die Kinder sich richtig austoben“, sagt Marion Becker glücklich.