Streik: Viel Lärm, aber kaum Chaos
Trotz Ausfällen von Bus und Bahn kamen die Krefelder gestern gut durch den Tag. Auch die Betreuung in bestreikten Kitas funktionierte.
Krefeld. Es ist kurz nach 7 Uhr. Eine junge Frau steht am Hauptbahnhof und schaut ungläubig auf ihr Handy. Ihr Bus kommt nicht, ersatzlos gestrichen. Es ist Streiktag in Krefeld. Besonders betroffen sind Pendler und Eltern. Doch die Notfallmaßnahmen von Verwaltung und Stadtwerken (SWK) greifen. Der Ausfall der Straßenbahnlinien wird durch Ersatzbusse aufgefangen.
Dafür fahren aber über ein Dutzend Buslinien gar nicht. Dementsprechend voll sind die Verkehrsmittel, die fahren. Vor allem Pendler, die nach Krefeld reinkommen, sind vom Streik überrascht worden. „Wir haben heute einen Lehrgang in Krefeld und wissen jetzt nicht, wie wir fahren sollen“, berichten zwei Maschinenbauer. Die Fahrplanauskunft der SWK ist auch keine richtig große Hilfe, Verspätungen und Ausfälle werden nicht angezeigt, lediglich ein Verweis auf den Streiktag ist im Internet zu finden.
Wer kann, steigt auf die Ersatzlinien um und versucht dann, zu Fuß ans Ziel zu kommen. In Hüls beispielsweise haben aber nicht wenige Eltern entschieden, ihre Kinder aufgrund des Streiks zuhause zu lassen, berichtet eine Mitarbeiterin an der Schule. Auch an der Gesamtschule Kaiserplatz werden Entschuldigungen eingereicht. Keine Komplikationen gibt es hingegen an den Kindertagesstätten. Die Notgruppen funktionieren, bei der Stadt geht kein Anruf mit der Bitte um eine zusätzliche Betreuungsstelle ein.
Glücklich dürfen sich die Autofahrer schätzen. Weil bei der GSAK nicht gestreikt wird, können die Straßen schnell vom Schneefall der Nacht befreit werden. Es gibt keine Verkehrsbehinderungen. Gegen 8.30 Uhr ist von dem hektischen Treiben am Morgen nicht mehr viel zu sehen. Zeitgleich finden sich die ein, die diesen Streik verursacht haben.
Fahnen wehen im Wind, genau wie die Luftballons, die die Demonstranten gestern für ihren Marsch Richtung Rathaus in ihren Händen halten. Die Gewerkschaft Verdi hat zum Streik mobilisiert. Und vor der Fabrik Heeder haben sich gegen 9 Uhr etwa 350 Personen aus dem Öffentlichen Dienst zusammengefunden, um für die gemeinsame Sache zu streiten. Sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, dazu einen Urlaubstag mehr für Azubis, 100 Euro mehr auf die Vergütung.
Das sind einige der Forderungen vor der nächsten Verhandlungsrunde im April. David Staerke geht als Gewerkschaftssekretär für Duisburg und den Niederrhein voran, hat sich das Megafon gegriffen. Gegen 9.30 Uhr geht’s los. Entlang der Kölner Straße, am Hauptbahnhof vorbei, den Ostwall hinunter Richtung Rathaus. Immer wieder Trillerpfeifen. Staerke ruft: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Kohle klaut.“ Immer wieder hört man diesen Ruf, die Menge hinter ihm macht mit.
Schnellen Schrittes lässt man die Kölner Straße und den Hauptbahnhof hinter sich. Die, die mitgehen, arbeiten in den Kitas, der Stadtverwaltung, der Sparkasse oder sogar im Schwimmbad in Rommerskirchen, am südlichen Rand des verdi-Bezirks. Dort leitet Petra Gemmer die Einrichtung und beklagt: „Die Entgeltordnung muss besser strukturiert werden. Alles sollte besser aufgeteilt werden.“
Gernot Hackstein aus der Stadtverwaltung Willich fordert mehr Geld und eine bessere Altersvorsorge, sein Kollege aus Krefeld, Rolf Winters, glaubt: „Der Öffentliche Dienst hinkt der Privatwirtschaft doch hinterher. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, auch für Azubis.“
Denise Kilicli ist in einer Kita beschäftigt, in ihrer Gruppe gäbe es nur eine Vollzeitstelle. „Der Job muss aufgewertet werden“, fordert sie. Ähnlich sehen es Christina Schmidt und Hannah Karzell, ebenfalls in einer Kindertagesstätte beschäftigt: „Die Arbeit soll gut honoriert werden. Sie ist mehr und intensiver geworden“, sagt Schmidt. Karzell fügt an: „Es ist keine reine Betreuung mehr wie früher.“ Udo Hannok, ein Vermessungsingenieur bei der Stadt, sieht die Problematik mit den Fachkräften, die in die Privatwirtschaft zögen, weil sie dort bessere Bedingungen vorfänden. Diese Meinung hört man oft.
Die Demo hat die Sparkasse am Ostwall erreicht. „Heute bleibt die Kasse zu, denn der Vorstand, der macht Schmu“, schallt es aus der Menge. Frank Campen ist mit marschiert bis zum Von-der-Leyen-Platz. Gleich beginnt die Abschlusskundgebung. Campen, Bankkaufmann bei der Sparkasse, will gleich sogar der Gewerkschaft beitreten. Auch er fordert faire Bezahlung.
Armin Reder setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein, für den Lohnausgleich. Der Mann aus dem Bereich Energieversorgung macht der Politik Vorwürfe: „Es wird ja angeblich nichts teurer. Aber ich sage denen: Ihr könnt nicht alles so machen wie Ihr wollt. Mit einem Hauptschulabschluss ist man nicht mehr gefragt“, sagt Reder und macht eine abfällige Handbewegung.