MSM: Auf den Spuren einer jüdischen Familie

Schüler des Merian-Gymnasiums begaben sich auf die Suche nach dem Schicksal der jüdischen Familie Davids in Fischeln.

Krefeld. Geschichte aus dem Geschichtsbuch ist vielen fremd. Daten, Namen und Ereignisse werden in der Schule als lästiger Lernstoff empfunden. Das ändert sich häufig, wenn hinter den gedruckten Quellen ein Name, ein Schicksal, ein Gesicht entdeckt wird. Walter Davids aus Fischeln ist so ein Name und der Ausgangspunkt einer Spurensuche von Schülern des Differenzierungskurs Gesellschaftswissenschaften der Jahrgangsstufe 10 des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium (MSM).

Jedes Jahr wird in einer Krefelder Schule am 27. Januar der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht. Die Feierstunde war in diesem Jahr im MSM. Schon im Herbst 2006 wurde der Kurs von Referendar Christoph Wissen in die Vorbereitungen eingebunden.

Als Anstoß und zur Themenfindung sollten ein Besuch und eine Führung durch die Villa Merländer, dem Krefelder NS-Dokumentationszentrum, dienen. Dabei stießen die Schüler unvermittelt auf den Namen von Walter Davids - ein Jude aus Fischeln. Dass in dem Vorort überhaupt Juden gelebt haben, überraschte die Schüler. Ihre Neugier war geweckt: Wer war dieser Mann? Hatte er Verwandte? Was passierte mit Walter Davids? Viele Fragen, aber keine Antworten. Die Spurensuche der Schüler begann im November 2006.

"Da finden wir doch eh nichts", lautete vorab der pessimistische Tenor bei den Schülern. "Große Geschichte" findet anderswo statt, nicht in Fischeln. "Am Anfang war die Arbeit so aussichtslos", erinnert sich Talina Moers.

In verschiedenen Arbeitsgruppen nahmen sie ihre Forschungsarbeit auf. "Es lief alles am Nachmittag", betont Wissen, also freiwillig. Eine Gruppe beschäftigte sich mit dem jüdischen Leben in Fischeln, eine weitere erkundigte sich nach der Familie Davids, eine dritte wollte Zeitzeugen ausfindig machen. Eine letzte Gruppe kümmerte sich um ein mögliches Gedenken an die NS-Opfer.

Die Schüler machten sich auf mühseligen Weg eines jeden Historikers, um einem schlichten Namen wieder eine Biographie zu geben. Meldekarten, Gestapo-Akten, Adressbücher, Fachliteratur, Interviews mit Experten und Zeitzeugen - die Recherchearbeit ist vielfältig und letztlich vom Erfolg gekrönt. Ein halbes Jahr dauerten Forschung und Auswertung an. Im südlichen Stadtteil lebten Juden, sogar drei Familien. Abwertend nannte die Einwohner sie "Die Jüdchen". "So was liest man nicht im Geschichtsbuch", meint Christoph Wissen.

Spurlos verschwanden die jüdischen Nachbarn nicht. Der Arzt Josef Wedel, nach dem auch eine Straße in Fischeln benannt ist, musste im Juli 1942 in ein jüdisches Altenheim nach Düsseldorf umziehen. Wenige Tage später starb der 76-Jährige in Köln. Zwei Schülerinnen befragten ihre Großeltern, die Walter Davids noch kannten. "Mein Großvater und meine Oma kannten sie noch als Viehhändler", berichtet Carina Dams.

Der Vater von Walter Davids, Valentin Davids, und seine Mutter, Hedwig Davids, wurden im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ihre Spur verliert sich in dem KZ. Beide werden 1948 für tot erklärt. Erich Davids, ein Bruder von Walter, wurde 1942 nach Izbica verschleppt. Nach dem Krieg wurde er für tot erklärt. Walters Schwester Alice Davids letztes Lebenszeichen stammt aus Stuttgart. Ihr weiteres Schicksal ist ungeklärt. Walter Davids überlebte das KZ Theresienstadt und kehrte nach Krefeld zurück. Das Haus an der Kölner Straße erhielt er zurück und lebte dort noch bis in die 1960er Jahre.

Gedenken: Die Schüler vom MSM und die KAB Fischeln wollen für Davids jeweils einen Stolperstein stiften.