Auf dem Rad und über den Wolken zu Haus

Rudi Christs Leidenschaft waren immer der Sport und die Berge. Doch mit 80 Jahren wird auch ein Haudegen mal ruhiger.

Krefeld-Oppum. Wer das erste Mal bei Rudi Christ klingelt, wirft einen anerkennenden Blick auf die schwere, verzierte Holztür am Eingang. "Selbst gemacht", verrät der Hausherr und begrüßt den Besucher mit einem kräftigen Händedruck. Braungebrannt ist Christ, die Treppe hoch in seine Wohnung - im Erdgeschoss wohnt die Tochter - nimmt er mit lockeren Schritten. Fit ist er, das Spielchen, sein Alter schätzen zu wollen, bringt da wenig. Dass der Wahl-Oppumer gerade 80 Jahre geworden ist, verrät nur sein Pass - dass er bayerische Wurzeln hat, sein Dialekt.

"Der Sport hält mich so fit", sagt er kurz. Radfahren, Leichtathletik, Bergsteigen, und, und, und. "Das ist mein Leben", erklärt Christ, während er in seinem gemütlichen Wohnzimmer sitzt. Viel Holz macht es auch hier heimelig. Schnitzen ist seine Leidenschaft neben dem Sport. Figuren, teilweise lebensgroß, sorgen für Staunen bei Gästen. Der Glockenspitzhalle - in der er seit der Eröffnung von 1972 bis 1990 als Verwalter fungierte - stiftete er einst sogar ein großes Handball-Relief.

"Der Sport gehört bei ihm einfach dazu", sagt Lebensgefährtin Monika Dick (63). "Ich kann ihm ja nicht sagen, du bleibst jetzt hier. Und außerdem will ich das auch gar nicht." Trainingskollege Manfred Nepp (69) ist gerade zu Besuch. Mit dem Krefelder (69) fährt Christ immer noch regelmäßig Rad. "Bald geht’s wieder in die bayerische Heimat. Ich bereite mich dort auf die Senioren-WM in St. Johann in Tirol vor", erzählt Christ. Hohe Temperaturen schrecken ihn nicht ab, der Ehrgeiz ist immer noch da. "Ich war eigentlich ein Spätstarter im Leistungssport und immer schon der Älteste, egal, worum es ging. Man will den Jungen ja nicht hinterherlaufen oder -fahren."

Über seine Arbeit bei Mannesmann landete er in den 60er-Jahren in Duisburg, war dort als Leichtathlet über die Langstrecken und im Gehen erfolgreich. Bayer Uerdingen warb ihn 1967 ab. 1972 zog er dann endgültig nach Oppum. Unter anderem trainierte er in dieser Zeit mit Bernd Kannenberg, Olympiasieger 1972 in München über 50 Kilometer Gehen. Später verlagerte sich sein Engagement dann auf den Radsattel. In den 80er-Jahren wurde er mehrfach Europacupsieger bei den Senioren und absolvierte auch einen Radmarathon über sieben Dolomiten-Pässe. Viermal durfte sich Christ in das Goldene Buch der Stadt Krefeld eintragen. 1990 wurde er zum beliebtesten Sportler der Stadt gewählt.

Einen Traum erfüllte er sich allerdings schon wesentlich früher. 1974 bestieg er das Matterhorn - wie er es sich als kleiner Junge beim Betrachten eines Fotos gewünscht hatte. Doch auch beim Bergsteiger trieb ihn der Ehrgeiz. "Ich war schon ein wilder Hecht", erinnert sich der 80-Jährige an seine Touren. Mit dem Schladminger Kurt Ringhofer, "einem ganz verrückten Hund", fand er dabei einen kongenialen Partner. Sogar einen Achttausender bezwang der Oppumer: den 8046 Meter hohen Shisha Pangma in Tibet. Mit 65 Jahren war Christ - natürlich - der älteste Expeditionsteilnehmer.

Zum 80. Geburtstag gratulierten jetzt viele alte Weggefährten, unter anderem auch Krefelds ehemaliger Sportamtsleiter Heinz Deckers. "Darüber habe ich mich sehr gefreut", sagt der Jubilar. Gefeiert wurde in der Glockenspitzhalle. 80 ist aber ein Alter, in dem auch ein Haudegen wie Christ nachdenklich wird. "Ich bin ja schon ruhiger geworden." Früher sei er ein Einzelgänger gewesen, immer unterwegs. "Aber das geht ja nicht ewig." Seit acht Jahren ist Monika nun schon die Frau an seiner Seite. Und auch sein Fahrrad wird er bald nur noch für gepflegte Radtouren aus der Garage holen. "Die Senioren-WM im August ist mein Karriere-Ende." Dann lächelt er und fügt hinzu: "Auf jeden Fall."