Hohenbudberg: Ein Küster für acht Seelen

Wenn in St. Matthias Messe ist, sind siebenmal so viele Besucher wie Pfarrmitglieder da. Wolfgang Hermanns ist mitten unter ihnen.

Krefeld. Ohne Wolfgang Hermanns geht an St.Matthias so gut wie gar nichts. Der 72-jährige Küster ist die gute Seele von Hohenbudberg. Dort wurde er getauft und bekam die Erste Heilige Kommunion. "Damals standen da, wo jetzt das Bayer-Werk ist, noch Häuser", erinnert er sich und schaut auf das Fabrikgelände, das dem Kirchenportal gegenüber liegt. 1500 Menschen wohnten einmal dort. Heute sind es vier Häuser, in denen exakt acht Katholiken wohnen. Keine Pfarre im Bistum Aachen ist kleiner.

(Wolfgang Hermanns, Küster)

Einen eigenen Priester hat das Kleinod am Rheinufer schon seit 30 Jahren nicht mehr, als Pfarrer Jacob Lücker starb. Einer ist immer noch da: Wolfgang Hermanns. Sein Vater Hans, bei Bayer beschäftigt, hatte einst für 14 Tage den Küster der Gemeinde vertreten sollen - und blieb über 30 Jahre, weil ihm der Job so gut gefiel. Seit 1988 ist sein Sohn Wolfgang sein Nachfolger.

Er bereitet die Gottesdienste vor, Beerdigungen, Taufen, Trauungen, pflegt den Kirchenkalender, bringt den Pfarrbrief Matthias-Bote mit einer Auflage von rund 50 Stück heraus, führt Besucher durch die Kirche. Damit nicht genug: Einmal in der Woche putzt Hermanns, einst Samtweber von Beruf, auch die Kirche.

Auf 50 Stunden im Monat beziffert er seinen Einsatz für St.Matthias. "Sicher ist das viel", sagt er. "Aber dafür habe ich hier auch mehr Freiheiten als andere Küster." Einen Kirchenvorstand gibt es nicht, einen Pfarrgemeinderat auch nicht, es gibt nur den rührigen Küster, der mit dem Fahrrad oder dem Taxi zur Arbeit fährt. Und bei jeder Sonntagsmesse einen anderen Priester, im Sommer um 18.45 Uhr, im Winter eine Stunde früher. 50 bis 100 Gläubige aus ganz Krefeld kommen dann im Schnitt. Mehrmals im Jahr gibt es auch Konzerte in den Kirchenmauern.

"St. Matthias ist sicher ein Sonderfall", sagt Regionaldekan Johannes Sczyrba. Dadurch, dass die Pfarrer der Stadt im Wechsel in Hohenbudberg die Gottesdienste feiern, wolle man ein Zeichen setzen, dass die Kirche auch inmitten von Industrie präsent sei. "Da ziehen alle an einem Strang", so Sczyrba. Außerdem gelte St. Matthias neben St.Clemens Fischeln als Krefelds älteste Kirche. Die wolle man erhalten, auch durch regelmäßige Messfeiern.

1150 wurde die Kirche das erste Mal erwähnt. Im selben Jahrhundert entstand auch der Turm, dessen Inneres immer noch romanisch ist. 300 bis 400 Gläubige gehörten damals der Gemeinde an. Im 19. Jahrhundert wurde die Kirche, die mittlerweile die einzige ist, die einen Friedhof direkt nebenan hat, umgebaut und zwischen 1990 und 1997 erneut restauriert - auf Initiative des damaligen Bischofs Klaus Hemmerle. "Er hat unsere Kirche besucht und dann entschieden: Hier muss sich etwas tun", erinnert sich Hermanns.

Die Kasse des Bistums war damals noch prall gefüllt. Fast die Hälfte der 4,5 Millionen Mark Bausumme kam auch Aachen. Den Rest schossen Pfarre und Landschaftsverband zu. "Da wurde tüchtig geklotzt", sagt Hermanns. "Hätte der Bischof sich nicht so eingesetzt, wäre die Kirche längst geschlossen." Denn vor knapp 20 Jahren gab es Bestrebungen, St. Matthias wegen der geschrumpften Zahl an Gemeindemitgliedern zu schließen und das Gebäude zu verkaufen.

Monsignore Rudolf Besouw setzte sich für den Erhalt ein, der Besuch des Bischofs tat sein Übriges. "Diese Kirche ist es einfach wert, erhalten zu werden", sagt Küster Wolfgang Hermanns. Er selbst will dazu beitragen, "so lange der liebe Gott mich lässt".