Überraschungen zwischen Aktendeckeln, Koffern und Filmrollen
Beim Tag des Stadtarchivs konnten die Besucher auf die Suche nach der eigenen Geschichte gehen und Zeitzeugen und alte Filme entdecken.
Claudia Heinrichs ist total glücklich. Sie hat gestern beim Tag der offenen Tür im Stadtarchiv beim Wälzen eines dicken Buches herausgefunden, wer der Bauherr ihres Hauses an der Moerser Straße ist. „Es war der Rechtsanwalt Josef Wolff. Und wir wissen jetzt auch, dass er einen Fernsprecher hatte“, erklärt sie und lacht über die letzte Info. „Wir haben ein Mehrgenerationenhaus und möchten jetzt noch mehr über das Gebäude erfahren.“
So wie Claudia Heinrichs nutzten viele Besucher den gestrigen Sonntag, um sich in den Räumen an der Girmesgath umzusehen. Sie blättern in Akten, schauen Fotos und Filme an, gucken durch Lupen und dürfen sogar an Führungen durch das sonst für Besucher verschlossene Magazin teilnehmen.
Auch Markus Jansen nutzt mit den Söhnen Jan (8) und Kai (12) die Gelegenheit, sich umzusehen. Die Jungen haben bei einer Mitmachaktion bereits die deutsche Schrift entschlüsselt und wollen noch Wappen ausmalen. Dann gucken sie in einen Koffer, der mit alten Siegeln, Wappen und Akten gefüllt ist. „Heute bekommen wir alles erklärt, was hier gemacht wird“, sagt der Vater. Er wundert sich, dass die Tageszeitungen noch in Papier aufbewahrt werden. „Ich hätte gedacht, dass wäre schon alles digitalisiert.“ Christoph Moß, der stellvertretende Leiter des Archivs, hat die Erklärung: „Da die Zeitungen in Papier erscheinen, übernehmen wir sie auch so. Kommen sie einmal digitalisiert heraus, übernehmen wir sie so.“
Zum neunten Mal wurde der bundesweite Tag der Archive ausgerufen. „Die werden dann anders präsentiert. Überhaupt wollen wir zeigen, dass wir ein offenes Archiv haben, das die Leute nutzen können. Allein das Magazin bleibt üblicherweise verschlossen“, erzählt Moß. Auch da stand aber gestern eben den interessierten Besuchern die Tür bei mehreren Führungen offen. „Wir haben rund 4,5 Kilometer laufende Akten, Pläne, Karten, Fotos und Filme“, sagt Moß. „Die älteste Urkunde stammt aus 1216. Es ist eine Rechtsverordnung aus Dortmund.“ Außerdem können die Besucher historische Filme, beispielsweise über Uerdingen und den Hafen aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts sehen, den Karnevalszug von 1950 und vieles mehr.
Die Gäste erfahren zum Beispiel, dass die Dokumente vor der Archivierung akribisch gegen Metall wie Büroklammern und Plastik durchsucht werden. „Diese Stoffe zerstören mit der Zeit das Papier.“
Besucher Thomas Engstfeld ist aus Kempen gekommen und schaut sich schöne Postkarten an. „Daneben habe ich Fotos und Dokumente aus den Weltkriegsjahren gefunden.“ Günter Scheifes hat bei der Durchsicht eines Buches zufällig seinen früheren Arzt entdeckt. „Er hat mich behandelt und eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt.“
Der frühere Lehrer für Geografie interessiert sich vor allem für Stadtgeschichte, historische Zusammenhänge und Zeugen aus der jüngeren Vergangenheit. „Ich möchte auch mehr über die Bunker, die Hinterlassenschaften aus der Kriegs- und NS-Zeit, in Krefeld erfahren. Die Stadt ist nicht freigiebig mit Informationen darüber. Die richtigen Zivilschutzanlagen kennt man nicht. Werden welche vorgehalten für mögliche Chemieunfälle? Ich fühle mich für dumm verkauft.“ cf