Urbanes Grün sorgt für bessere Luft und gesundes Klima
Die Ratsfrauen Heidi Matthias und Anja Cäsar werben für Dachbegrünung und schauen neidvoll nach Düsseldorf. Dort ist man weiter.
Krefeld. Städte und Gemeinden stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Der längst spürbare Klimawandel mit zunehmenden Feinstaub- und CO2-Emmissionen, langen und heißen Trockenperioden, häufiger auftretenden Starkregen und Extrem-Wetterlagen, Insektensterben, Rückgang der Naturräume für Flora und Fauna durch fortschreitende Versiegelung von offenen Flächen — das alles erfordert nachhaltige Stadt- und Naturraumplanung. Bis zum Jahr 2020 will die Stadt bis zu 6500 neue Wohneinheiten bauen. Heidi Matthias und Anja Cäsar werden deshalb nicht müde, bei jeder passenden Gelegenheit auf effektive Instrumente wie Dach- und Fassadenbegrünung hinzuweisen.
Die Fraktionsvorsitzende und die umweltpolitische Sprecherin der Grünen werden dafür immer noch belächelt. „Das ärgert mich“, sagt Heidi Matthias, die bei den geplanten Neubaugebieten auf den Nutzen begrünter Flachdächer hinweist. „Wir müssen die Natur mitdenken und wenn wir Flächen für Wohnungsbau versiegeln, müssen wir anderswo neue Biotope schaffen.“ Die rechtsrheinische Nachbarstadt Düsseldorf ist da schon weiter. Ein Zehntel des kompletten Grüns in der Stadt wächst und gedeiht auf Flach-, Pult und leichten Satteldächern, verstärkt zu finden auf Tiefgaragen und Parkhäusern.
„Krefeld ist zwar eine grüne Stadt, aber man kann und muss mehr machen“, sagt Heidi Matthias. Neben dem städtischen Grün auf Freiflächen, leiste Grünbepflanzung auf Dächern und Fassaden nützliche Dienste. Die neue Studie des Bundesumweltamtes hat untersucht, wie deutsche Großstädte sich dem Klimawandel anpassen (http://bit.ly/2kHZ8U0). Auch das bundesweite Netzwerk „Die grüne Stadt“ setzt sich für ein Umdenken im privaten und öffentlichen Städtebau ein. „Statt wegen der schlechten Luftwerte Fahrverbote in der Stadt auszusprechen, sollte man verstärkt über Fassaden- und Dachbegrünung nachdenken“, sagt Anja Cäsar. Die Pflanzen auf einem begrünten Dach filtern zum Beispiel 10 bis 20 Prozent der Schadstoffe aus der Luft und wandeln sie um in sauberen Sauerstoff. Bei Starkregen saugen sie zu einem gewissen Maße das Wasser auf und es fließt langsamer in die Mischwasserkanäle ab. Überlaufende Gullys wären seltener bei solchen Unwettern.
„Begrünte Dächer schützen außerdem zu zehn Prozent stärker das Innere der Häuser im Sommer vor der Hitze und im Winter vor der Kälte“, erklärt Heidi Matthias. Und sie haben positive Auswirkungen auf die Temperaturen, vor allem im Hochsommer. Wegen der Asphaltierung und zunehmenden Versiegelung der Städte kühlen die Häuserschluchten in den Nächten immer seltener ab auf unter 20 Grad. Allein 70 000 Hitzetote im Jahr 2013 habe man in Deutschland gezählt, vor allem ältere und kranke Menschen, deren Kreislauf zusammengebrochen sei.
Mit begrünten Dächern würden die Temperaturen in den Innenstädten besser reguliert. Dabei denken die grünen Ratsfrauen nicht nur an Wohnhäuser, sondern auch an die zahlreichen mit Teer asphaltierten Flachdach-Garagen in Hinterhöfen, an Fabrik- aber auch Verwaltungsgebäude. „Die Stadt Krefeld könnte mit der Begrünung des Stadthauses ein Zeichen setzen“, betont Anja Cäsar. Und Heidi Matthias ergänzt: „Der Denkmalschutz hat keine Bedenken; die Verwaltung sollte prüfen, ob eine Dachbegrünung statisch möglich ist.“
Nicht nur die Grünen, sondern vor allem auch der Entomologische Verein Krefeld wäre von solchen Naturschutzmaßnahmen begeistert. Bei einem seit 1989 laufenden Beobachtungs-Projekts im Orbroicher Bruch haben sie festgestellt, dass der Bestand an Schmetterlingen, Bienen und Schwebfliegen um 80 Prozent zurückgegangen ist. In Folge werden Blüten weniger bestäubt und finden Vögel weniger Nahrung.