Vortrag Das zweite Leben des Babak Rafati
Krefeld · „Ich pfeife auf den Tod“: In einem Vortrag an der Klinik Königshof erzählt der ehemalige Fifa-Schiedsrichter von seinem Selbstmordversuch. Und will aufklären.
Babak Rafati wirft während seines Vortrags einen Fußball an die Wand, der prallt zurück und rollt langsam von dannen. Für Rafati veranschaulicht dies das Prinzip der mentalen Widerstandsfähigkeit. Zugleich ist es ein Bezug auf seine ursprüngliche Tätigkeit.
In der Bundesliga leitete Rafati 84 Fußballspiele, war für drei Jahre Fifa-Schiedsrichter und kontrollierte im legendären „El Clásico“ die Temperamente der Star-Trainer José Mourinho und Pep Guardiola. Wenige Monate nach jenem Spiel mündete der berufliche Druck, der sich bei Rafati über Monate hinweg angesammelt hatte, in einem Suizidversuch, den er überlebte. „Es kann auch starke Menschen treffen“, sagt Rafati.
Mittlerweile sei er froh, dass es damals für ihn weiterging. Denn seit seiner Therapie und einer längeren Bewältigungsphase klärt Rafati in Vorträgen und persönlichen Beratungen über die Ursachen und insbesondere den Umgang mit psychischer Belastung im Berufsleben auf – so auch beim Tag der offenen Tür der psychiatrischen Klinik Königshof in Krefeld. Diesen richtet die Klinik seit 35 Jahren aus. Im Vorfeld von Rafatis Vortrag betont Jutta Scheuermann, dass sich „in den vergangenen zehn Jahren die Fälle psychischer Erkrankungen verdoppelt haben“. Alle fünf Minuten ereigne sich in Deutschland ein Suizidversuch.
Leidensdruck wurde immer größer, Fehler waren die Folge
Die Zahlen sollen auch mit den jüngsten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zusammen hängen. „Digitalisierung, Globalisierung, Dynamisierung, immer schneller, immer weiter“, wie Rafati es in seinem Vortrag zum Ausdruck bringt. In seinem Fall begann der berufliche Druck mit der Personalentscheidung, einen Vertreter der DFL und somit der Vereine in die unabhängige Schiedsrichterkommission zu berufen, was Rafati kritisierte und ihn letztlich zur Zielscheibe machte. Nachdem er in zwei Spielen unglückliche Fehlentscheidungen traf, erhöhte sich der Druck.
Er dürfe nun keine Fehler mehr begehen, das Geschäft verbrenne Leute, habe sein Chef ihm gesagt. Schwere Selbstzweifel waren die Folge, da er sein Selbstwertgefühl von seinem beruflichen Erfolg abhängig gemacht habe, erklärt Rafati. Sich dies eingestehen, wollte er nicht, bloß keine Schwäche zeigen. Heute sieht er wahre mentale Stärke genau in der Fähigkeit, die eigene Gefühlslage anzusprechen. Damals führten die Selbstzweifel und der Stress zu Antriebs- und Schlaflosigkeit, Gleichgültigkeit und folglich in Richtung Depression.
Dies gipfelte vor seinem 85. Bundesligaspiel in einem Suizidversuch, den er den Gästen im Vortragsraum detailliert schildert. „Für diese Nacht bin ich ganz allein verantwortlich“, sagt er. Er habe nämlich zugelassen, dass ihn der berufliche Druck aus der Balance werfe. Durch das Zutun seiner Frau und Therapie habe er allmählich die Zusammenhänge verstanden, die bei ihm zur Depression führten. Zu häufig habe er sich von anderen leiten lassen. Selbstfindung und -akzeptanz können wirksame Mittel sein, um dem Stress zu entrinnen, wurde ihm bewusst. Es liege letzten Endes an einem selbst, gesund auf Druck zu reagieren.
Nachträglich betrachtet er sich daher als ein Vorbild, wie Gedankenmanagement nicht geht. Heute sieht er sich in der Pflicht, anderen Menschen von seinen Erfahrungen zu berichten. Auch wenn der Rückblick eine emotionale Belastung darstellt. „Wenn ich dadurch auch nur einem Menschen helfen kann, ist es diesen Preis wert“, sagt Rafati.