Wald-Serie: Mit dem Zug in den Wald
Bis zu 3000 Städter kamen früher an Sommertagen mit der Eisenbahn in den Forstwald. Das beliebte Ausflugsziel lockte mit Kaffeehäusern und einer Kur- und Badeanstalt.
Krefeld. 1822 erwarb Gerhard Schumacher, ein bekannter Krefelder Bankier und Kaufmann, von der Gemeinde Vorst rund 500 Morgen (125 Hektar) Heide. Größere Heideflächen, wie sie auch im Krefelder Süden existierten, waren zumeist durch Übernutzung und Vernichtung des in Vorzeit dort befindlichen Laubwaldes entstanden. Schumacher forstete sein neues Areal mit Nadelholzarten, zumeist Kiefern, auf. Allerdings nicht, um es als Wald den Bürgern zugänglich zu machen. Vielmehr standen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.
Die in ihrer Jugendzeit schnell wachsende Kiefer fand im angrenzenden Steinkohlebergbau reißenden Absatz — allerdings nicht nur als Bauholz: Als sogenanntes Warnholz leistete sie im Revier unverzichtbare Dienste. Brach ein mit Kiefern gebauter Stollen ein, kündigten sich diese dramatischen Umstände in der Regel durch Knacken im Holz an. So hatten die Kumpel noch Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Als Sommerresidenz errichtete Schumacher 1838 das Forsthaus. Sein eigentlicher Wohnsitz war jedoch das markante Herrenhaus auf dem Gut Groß Lind südlich von St. Tönis. Für beide Häuser stellte er Forstpersonal ein, das seinen Besitz verwaltete und bewachte. Dieses konnte allerdings nicht verhindern, dass 1840 ein verheerender Brand die jungen Waldflächen vernichtete.
Durch neue Aufforstungen wurde das gesamte Gebiet 33 Jahre lang für die Öffentlichkeit gesperrt. Damals lagen die schumacher’schen Besitztümer allerdings noch weit vor den Toren Krefelds. Erst 1929 wurde der Forstwald in das Stadtgebiet eingegliedert, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die Stadtväter das spätere Naherholungsgebiet den Erben Schumachers für 570 000 Reichsmark abkauften.
Die Stadt forstete weitere umliegende Flächen mit Laub- und Nadelbäumen auf und baute unter der Federführung des damaligen Krefelder Försters Miebach das Forsthaus zu einer Kaffeewirtschaft um. Ein bedeutender Schritt in der Entwicklung war auch der Bau der Eisenbahnstrecke Homberg — Crefeld — Viersen.
Durch den Haltepunkt Forstwald stieg die Attraktivität des Ausflugsziels weiter an. So sollen an Sommertagen bis zu 3000 städtische Besucher das kühle Waldklima genossen haben.
Mit den Besucherzahlen wuchs auch das gastronomische Angebot: Neben dem Forsthaus und kleinen Kaffeehäusern warb das mondäne Waldhotel „Prasshof“ um Kurzurlauber. Sogar ein Lungensanatorium sowie eine Kur- und Badeanstalt entstanden im Ausflugsboom, an den heute nur noch der Straßenname „An der alten Kur“ erinnert.
Markant im Forstwald ist die historische Wegführung. Auf alten Karten aus dem Jahre 1820 kann man verfolgen, dass das heute im südlichen Forstwald befindliche sternförmige Wegesystem damals noch nicht vorhanden war. „Gerhard Schumacher dürfte dieses genau wie die im Norden auf das Gut Groß Lind zulaufenden Wegführungen angelegt haben“, so Stadtförster Arno Schönfeld-Simon. Aus den damals angelegten Wegen wurden durch flankierend gepflanzte Eichen und Buchen prächtige Alleen. Im Laufe der Jahre wurden diese vom Wald verschluckt. „Durch Maßnahmen in jüngerer Zeit wurden diese Alleen in ihren Grundzügen wieder freigelegt und entstandene Baumlücken mit Stieleichen gefüllt“, erklärt Schönfeld-Simon, der sich sicher ist, dass die sternförmige Wegführung zum Forsthaus auch etwas mit der Parforcejagd zu tun hat.
Die 1710 in Frankreich erfundene und 1934 in Deutschland verbotene Jagdform, war eine Hetzjagd zu Pferde und mit großer Hundemeute. Meist ließen dabei Füchse, Hirsche und Wildschweine ihr Leben. Der Jagdherr nahm am Geschehen nicht unmittelbar teil, sondern beobachtete dieses von einer erhöhten Position. Diese ist heute noch am Forsthaus erkennbar: Aus dem Türmchen konnte der Jagdherr in die axial auf das Haus zulaufende Wege blicken und sich einen optimalen Überblick verschaffen. Ob diese Jagdart dort tatsächlich stattfand, ist zwar ungeklärt. Laut Schönfeld-Simon spricht aber einiges dafür, denn die Wetterfahne des Turmes schmückt noch heute ein Jagdhorn das Forsthaus zieren drei mächtige Hirschgeweihe.
Ein echter historischer Schatz des Forstwaldes ist die 1372 beschlossene und erstellte Landwehr, die das Erzbistum Köln vom Herzogtum Geldern trennte. Die aus mehreren Wällen bestehende Grenzmarkierungs- oder Grenzsicherungsanlage ist heute noch im Wald erkennbar. Der Fachbereich Grünflächen der Stadt hob das grüne Band durch Bepflanzung mit Stechpalmen aus dem gesamten Waldgebilde heraus.
In direkter Nachbarschaft zum Forstwald, aber durch die B57N getrennt, liegt der bedeutend kleinere, zirka 20 Hektar große Südpark. Dieser entstand zum Teil aus einer früheren Parkanlage. Mächtige Rosskastanien und Ziereichen sind heute Zeugen aus dieser alten Zeit. Darüber hinaus befand sich im südwestlichen Bereich bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Helmond´sche Ziegelei, die rund 100 Jahre lang Lehm und Ton zu Ziegeln verarbeitete. Einzelne Lehmgruben im Forstwald deuten noch heute auf diese Aktivitäten hin. Nach dem Abriss der Ziegelei wurde diese Fläche bepflanzt und dem Wald zugeführt. Der Südpark wird durch seine isolierte Lage weniger zur Erholung genutzt und ist als kleine grüne Lunge der Stadt zu sehen.