Gründerpreis „Vereinbarkeit darf nicht länger ein Frauenthema sein“

Heiner Fischer hat eine Online-Plattform für Väter gegründet.

Der Krefelder Heiner Fischer hat das Unternehmen Vaterwelten gegründet und bewirbt sich um den Gründerpreis.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

„Über 1,7 Millionen Väter überlegen laut einer Prognos-Studie aktuell, ihren Job zu kündigen, weil er nicht familienfreundlich ist“, warnt Heiner Fischer Unternehmer vor weiteren Verlusten an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Es reiche nicht mehr aus, nur Frauen nach der Geburt eines Kindes an den Arbeitsplatz zurückzuholen, sagt der 39-Jährige. Der gelernte Sozialarbeiter und systemische Berater hat Sozialmanagement studiert und weist Erfahrung als Führungsnachwuchskraft in einem mittelständischen Betrieb auf.  Vielmehr sollten moderne Unternehmen unter anderem durch flexible Arbeitszeiten darauf bedacht sein, auch die Väter zu binden, die eine aktivere Rolle bei der Kinderbetreuung wünschen. „Es geht darum, Familienalltag, Partnerschaft und Karriere für beide Elternteile unter einen Hut zu bringen“, verweist der Gründer der Online-Plattform Vaterwelten auf die Herausforderung für alle Beteiligten.

Deshalb bringt der Vater zweier Kinder im Kita- und Grundschulalter seine drei Zielgruppen über seine Plattform zusammen – Väter, Unternehmen und Träger der Familienbildung. Dort findet man praxisorientierte Informationen, Ratgeber und Erfahrungsberichte für die verschiedenen Phasen der Vaterschaft, aber vor allem persönlichen Austausch mit Gleichgesinnten in geschützter Umgebung. Außerdem werden zusammen mit dem Partner „ElternLeben.de“ Online-Kurse zur Kompetenzentwicklung angeboten.

Fischer selbst hält Vorträge und Workshops zu Themen wie aktive Vaterschaft und neue Vereinbarkeit sowohl online als auch vor Ort im Auftrag von Unternehmen. Bundesweit hat er aktive Väter als Mitstreiter gewonnen, die passende beratende Berufe haben und ihn als Vätercoach unterstützen. Dazu gehören ein Business Coach und Familienberater aus Mainz, ein sozialpädagogischer Familienhelfer und Prozessbegleiter mit langjähriger Berufserfahrung in Südafrika und Südamerika, der in einer Patchwork-Familie in Münster lebt, und ein Erzieher und Naturspielpädagoge aus Kempten. Sie alle haben unterschiedliche Schwerpunkte und teilen sich verschiedene Aufgaben wie die Ausbildung anderer zum Vätercoach. Außerdem baut jeder der Beteiligten regional und stadtbezogen Gruppen auf, wo außer Online-Workshops auch persönliche Treffen von Vätern möglich sind.

An dieser Stelle kommen Träger aus der Familienbildung wie Caritas und Diakonie ins Spiel, die schon früh Familien in belasteten Lebenslagen Hilfe bieten. Vaterwelten unterstützt deren Fachkräfte beim Aufbau neuer Angebote für Väter und profitiert umgekehrt davon, dass Räume für Treffen und Workshops bereitgestellt werden. Wichtig sei es aber vor allem, die städtebezogenen Gruppen deutschlandweit auszubauen und das Netz zügig zu verdichten. Das sei nötig, weil man Männer bei sozialen Themen „abholen“ müsse. Eine einfache Einladung wie bei Frauen reiche dazu nicht aus. Immerhin habe inzwischen auch die Politik das Thema aufgegriffen, lobt Fischer. So gebe es in NRW in mehreren Städten bereits Gleichstellungsbeauftragte auch für Männer. „Vereinbarkeit darf nicht länger ein Frauenthema sein“, fordert er. Für die Moderation der genannten Gruppen bilden Fischer und seine Mitstreiter sogenannte Peer-Consultants aus. Das seien engagierte Väter, die die Gesprächskreise leiten. Dafür werde eigens ab 2024 eine Akademie eröffnet, die auch Väterbeauftragte und Fachkräfte der Familienbildung schult und die Vernetzung innerhalb der Community fördere.

Die Hauptzielgruppe
sind die Arbeitgeber

Einen positiven Wandel stellt Fischer vor allem bei der Hauptzielgruppe der Arbeitgeber fest: „Erfreulicherweise gibt es immer mehr Unternehmen, die den gesellschaftlichen Trend zu mehr Familienverantwortung von Vätern verstanden haben und dies zum Teil ihrer Personalpolitik machen.“ Er selbst habe noch seinen Job verloren, als er bei einem Arbeitgeber um mehr Vaterzeit bat. Worauf er sich seines früheren Berufs als Sozialarbeiter besonnen habe und vorübergehend in einem Krefelder Klinikum anheuerte. Ein einschneidendes Erlebnis für ihn, das ihn zur Gründung von Vaterwelten bewegt hat.

Derzeit führt er seine Plattform noch als Einzelunternehmer. Mit NRW-Gründerstipendium, Rücklagen und ersten Einnahmen aus Vortragstätigkeit hat er die Gründung bislang aufgebaut und finanziert. Bis zum Jahresende 2023 will er Vaterwelten zum Teil in einen gemeinnützigen Verein und geschäftlich in eine GmbH überführen, für die er zwei seiner Mitstreiter als Mitgeschäftsführer benennen will. Die Arbeitsgebiete sollen untereinander aufgeteilt werden. Der gemeinnützige Verein finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Fördermittel. Wirtschaftlich arbeitet jeder Geschäftsführer auf eigene Rechnung, da die Haupteinnahmen aus der Vortrags- und Workshoptätigkeit bei selbst akquirierten Unternehmen generiert werden. Festangestellte Mitarbeiter sind nicht vorgesehen, Lücken sollen durch ein Netz von freiberuflichen Fachkräften geschlossen werden.

„Schon jetzt arbeiten wir mit großen Versicherungen, Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Organisationen zusammen wie etwa der Hochschule Hamm-Lippstadt oder dem Landesverband Saarbrücken“, berichtet Fischer von seinen Aktivitäten.