Abgehängt in Erkrath „Sonst knallt es irgendwann fürchterlich“
Erkrath · Viele Menschen, viele Nationalitäten, auch Kinder auf engstem Raum – und keiner, der die Hausregeln durchsetzt. Bewohner städtischer Unterkünfte fühlen sich alleingelassen.
Der Alltag in einer städtischen Unterkunft hat wirklich nichts mit dem Leben in einer Studentenbude gemein. Flüchtlingshelfer Dieter Thelen hat den jungen Ratsherrn, der kürzlich diesen Vergleich zog und die Unterkünfte gar nicht so übel fand (er kennt nur die neuen und nur in leerem Zustand), bereits zu einem gemeinsamen Besuch eingeladen. Die Einladung sei bisher aber noch nicht angenommen worden, sagt Thelen, der regelmäßig in den Unterkünften vorbeischaut.
Konkret helfen kann er nicht immer, doch allein das Gespräch, die Tatsache, dass man sich für sie und ihren Alltag interessiere, sei für die Bewohner von Bedeutung und werde als Zeichen der Wertschätzung empfunden, sagt Thelen. Er steht dem lokalen Freundeskreis für Flüchtlinge vor, hat aber auch ein offenes Ohr für die die deutschstämmigen Bewohner der Unterkünfte – für Erkrather mit kleinen Renten oder ohne Einkommen, die zwar einen Wohnberechtigungsschein haben, auf dem freien Markt aber nichts finden.
Wohnraum fehlt eben in der Stadt, vor allem kleine, günstige Wohnungen, das ist allgemein bekannt. Manch ein Unterkunft-Bewohner zählt zu jenen, die den Mangel ausbaden müssen. „Ein Zimmer, Erkrath“ – wer so etwas im Internet sucht, findet einfach nichts, berichtet einer von ihnen. In der Zeitung möchte er lieber ungenannt bleiben. Seit mehreren Jahren lebt er schon in einer städtischen Unterkunft, arbeitslos, weil er, wie er erzählt, einen Beruf hat, den viele Arbeitgeber an Heimarbeitsplätzen erledigen lassen, um Büroräume einzusparen. Wie soll das gehen im Zweibettzimmer mit gerade einmal sechs Quadratmetern Wohnraum pro Person, Tür an Tür mit Nachbarn, die auch nicht immer leise sind?
Alle Menschen leben in sehr beengten Verhältnissen
Alle leiden unter den beengten Verhältnissen, die kaum Privatsphäre ermöglichen. Kindern, die dort mit ihren Eltern leben, fehlt Raum zum Spielen oder für Hausarbeiten. Die erledigen sie oft halb auf dem Bett, während die Eltern fernsehen, weil sie ihren Kindern meist doch nicht helfen können. Einen Aufenthaltsraum, in den die Erwachsenen sich zurückziehen könnten, um den Kindern wenigstens Ruhe zum Lernen zu geben, gibt es in der Unterkunft nicht. Nicht mehr, seit die Stadt wieder so viele Menschen unterbringen muss, dass der einstige Aufenthaltsraum zum Zimmer für neue Bewohner umgewidmet wurde. So lange es nicht regnet, kann man zumindest in den zum Haus gehörenden Garten ausweichen.
Wenn die Stadt schon keinen angemessenen Wohnraum für diese Menschen hat, muss sie sich intensiver um sie kümmern, meint auch Dieter Thelen. Es gebe eine engagierte Sozialarbeiterin, die wöchentlich vor Ort sei und helfe, wo sie könne, doch ihr Stundenkontingent sei begrenzt. Und sie müsse nebenbei auch noch Zwangsräumungen begleiten, die es in Erkrath immer häufiger gebe.
Auf die Sozialarbeiterin halten Bewohner der Unterkunft große Stücke, ebenso wie auf den Hausmeister. Doch insgesamt reiche es nicht, viele fühlen sich alleine gelassen, wünschen sich mehr Akzeptanz und vor allem mehr Unterstützung, etwa bei der Durchsetzung von Hausregeln. Das werde weitgehend den Bewohnern überlassen, funktioniere aber nicht im Gemisch der Nationalitäten und der Charaktere, darunter auch psychisch Labile und Alkoholkranke.
Was das bedeutet, zeigt sich besonders deutlich in der gemeinschaftlichen genutzten Küche mit zwei Herden und individuellen Spinden für haltbare Lebensmittel (in ihren Zimmern haben die Bewohner Bett und Kühlschrank). An der Tür hängt ein Plan, auf dem verzeichnet ist, wer wann saubermachen muss. „Gestern erst geputzt und heute ist schon wieder alles verkleckst und schmierig. Auch der Müll wird nicht rausgebracht“, ärgern sich Bewohner über andere, nachlässigere. Zum Wohlgefühl in der ohnehin nicht gerade wohnlichen Unterkunft trage das nicht bei, ganz im Gegenteil.
Es brauche jemanden, der die Leute in ihrer Sprache mit den Regeln vertraut mache und überprüfe, ob sie befolgt würden. Allein aus der Gemeinschaft heraus ist das nicht zu machen, sagen Bewohner, Sozialarbeiter müssten bei der Eingliederung helfen. Dieter Thelen teilt diese Ansicht: „Alle Unterkünfte sind derzeit voll belegt. Man muss darauf achten, dass die Menschen gut betreut werden. Sonst knallt es irgendwann fürchterlich.“