„Man muss an Schwächen arbeiten“

Sandy Löffler kämpft seit ihrer Grundschulzeit mit einer Lese-Rechtschreibschwäche. Heute motiviert sie Schüler mit Lernschwächen.

Erkrath. Inhaltlich kam Sandy Löffler in der Schule immer recht gut mit. Doch ihre zahlreichen Rechtschreib-, Komma- und Grammatikfehler in den Klassenarbeiten machten der heute 20-Jährigen besonders in den letzten Schuljahren zu schaffen. „Die vielen roten Markierungen am Rand haben mich oft eine ganze Note gekostet“, erzählt sie. Statt der möglichen Eins oder Zwei kam dann unterm Strich doch nur eine Drei oder Vier als Note heraus.

Der Grund: Sandy hat eine Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS), die in der Grundschule nicht erkannt wurde. „Die vielen Fehler waren mir irgendwann peinlich und ich wollte mich selbst verbessern“, nennt sie den Grund, warum sie im letzten Jahr vor ihrem Abschluss am Berufskolleg Neandertal sich selbst um Hilfe bemüht hat. Einen entsprechenden Kursus für Sandy zu finanzieren, war ihrer alleinerziehenden Mutter mit insgesamt vier Kindern damals nicht möglich. Über das Bildungs- und Teilhabepaket bekam sie schließlich einen Zuschuss, um Kurse am Lehrinstitut für Orthografie und Sprachkompetenz (LOS) in Hochdahl belegen zu können. Als Studentin erhält die junge Frau heute keine Förderung aus dem Teilhabepaket mehr, sondern muss sich das Geld für die Kurse vom BaföG abknapsen. Ihre Motivation, der Lernwille und nicht zuletzt Sandys enormer Lernerfolg beeindruckten Detlef Wilkens, Institutsleiter des LOS, so sehr, dass er ihr ein Praktikum anbot. Seither besucht Sandy nicht nur selbst weiter Kurse bei ihm, sondern hilft ihm und seinem Team zweimal die Woche, Kinder und Jugendliche, die ähnliche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben wie sie noch vor Kurzem, zu betreuen. Eine Arbeit, die sie auch in ihrem Sozialarbeitsstudium weiterbringt. Jüngere zum Lernen zu motivieren, ist Sandy dabei genau so wichtig wie die Erkenntnis: „Man muss sich seine Schwächen eingestehen. Es ist nicht schlimm, wenn man LRS hat. Wenn man es weiß, kann man sich Hilfe holen und daran arbeiten.“

Diese Selbsterkenntnis hält Sandys Praktikumschef für einen entscheidenden Erfolgsfaktor, der ihre Fehlerquote in weniger als einem halben Jahr enorm verbesserte: „Eine solche Motivation ist die beste Lernvoraussetzung. Schüler, die motiviert hierher kommen und gut mitarbeiten lernen schneller.“ Die Betreuung in Kleingruppen im LOS kam Sandy Löffler ebenfalls entgegen. Studien zufolge haben sich die Rechtschreibkenntnisse seit Einführung der Rechtschreibreform vor rund 20 Jahren verschlechtert. Auch die neuen Lehrmethoden scheinen Probleme zu verstärken. „Viele Kinder können heute keine Schreibschrift mehr lesen, da die Grundschulen selbst entscheiden, ob, und wenn ja welche sie den Kindern beibringen“, sagt Wilkens. An den weiterführenden Schulen treffen dann Schüler mit unterschiedlichem Wissensstand aufeinander. „In der Grundschule war es ja erst mal egal, ob man Wörter richtig schreibt oder nicht“, erinnert sich Sandy. „Diese Lehrmethode ist ein weiterer Grund, warum unsere Rechtschreibung immer schlechter wird“, sagt Wilkens: „Die Schüler prägen sich die Wörter falsch ein. Einmal automatisiert, lassen sich Fehler nur schwer abtrainieren.“ Eine Lese-/Rechtschreibschwäche sei auch genetisch bedingt: Der eine lerne schneller, der andere brauche mehr Zeit. Mit den heutigen Lehrsystemen werde diese „Schwäche“ jedoch weiter verfestigt.