Nach Kritik der Bewohner Bürgermeister besucht Notunterkunft

Analyse | Erkrath · Analyse Bewohner der städtischen Einrichtung an der Hochdahler Straße klagen schon lange über beengte Verhältnisse, mangelnde Hygiene und fehlende Unterstützung im Umgang mit schwierigen Mitbewohnern.

In der städtischen Unterkunft an der Hochdahler Straße leben rund 60 Menschen auf engstem Raum.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Kaum einer dürfte freiwillig in einer städtischen Unterkunft wohnen, auch nicht an der Hochdahler Straße. Wer eines der Doppel- oder Dreibettzimmer mit Bett, Schrank und Kühlschrank pro Bewohner bezieht, hat aus unterschiedlichen Gründen keine andere Wahl. Leicht ist der Alltag dort nicht. An der Hochdahler Straße müssen, wie in anderen Unterkünften auch, sehr unterschiedliche und auf sehr begrenztem Raum lebende Menschen versuchen, irgendwie miteinander auskommen.

Es leben nicht nur Geflüchtete dort, zurzeit zum Beispiel auch eine ukrainische Familie mit einem kleinen Kind, sondern ebenso Einheimische, die den Anschluss an den Arbeitsmarkt verloren oder so kleine Renten haben, dass sie auf dem freien Markt trotz Berechtigungsschein keine Wohnung finden. Es leben auch junge Menschen dort, die Arbeit haben, auf dem Wohnungsmarkt aber offenbar auch keine Chance haben, weil kleine und bezahlbare Wohnungen fehlen.

Man mag sich nicht vorstellen, wie es ist, nach einem anstrengenden Arbeitstag in eine Unterkunft zurückzukehren, in der es viele Probleme gibt und nicht einmal das Briefgeheimnis gewahrt ist – alles landet auf einer offenen Klappe, Briefe liegen ungeschützt herum. Sind sie beschädigt, können Unbefugte sie lesen und es kann leicht etwas wegkommen. Wenig verwunderlich, dass sich viele Bewohner abgehängt, als Menschen zweiter Klasse und von der Gesellschaft vergessen fühlen.

Bewohner berichten
von tätlichen Angriffen

Ein weiteres großes Problem ist die Sauberkeit in den Gemeinschaftsbereichen. Die Bewohner müssen eigene Putzpläne für Küche und Waschräume aufstellen, an die sich aber nicht jeder hält. Manche, weil sie es nicht wollen, andere, weil sie es wegen psychischer Erkrankungen oder Alkoholproblemen nicht können, wieder andere putzen zwar, aber nicht gründlich. Wer setzt die Hausregeln durch? Reichlich Potenzial für Unzufriedenheit und Konflikte, mit deren Lösung sich die Bewohner an der Hochdahler Straße zunehmend überfordert fühlen.

Es gibt eine Sozialarbeiterin für die Unterkunft, aber mit begrenzter Stundenzahl, und einen Hausmeister, doch damit ist es offenbar nicht getan. Sozialer Zündstoff ist da und konkretisiert sich Bewohnern zufolge, die ungenannt bleiben möchten, auch in tätlichen Angriffen. Erst kürzlich berichtete das Presseportal Blaulicht wieder von anonym zugeschickten Bildern, die ein Küchenmesser sowie Glasscherben auf dem Flur zeigen. Ein Bewohner berichtete dem Medium von wöchentlichen Einsätzen der Polizei in der Unterkunft.

Dort sei es mehrfach zu Angriffen durch eine Bewohnerin gekommen, als Beleg wird eine durchlöcherte Küchentür angeführt. Stundenlanges Schreien, das Zerstören der Einrichtung, Messerwürfe und Attacken mit Stichwerkzeugen seien Normalität. Die Bewohner wären zunehmend frustriert und beklagten die Untätigkeit der Stadt. Zwar habe sich der Bürgermeister angekündigt, um sich ein Bild über die Situation in der Notunterkunft zu verschaffen, ein Termin sei aber bisher nicht zustande gekommen.

Die Stadt bestätigt auf Anfrage lediglich einen Zwischenfall im Juli dieses Jahres sowie einen weiteren polizeilichen Einsatz aus der vergangenen Woche. In beiden Fällen handele es sich um dieselbe Person (weiblich, deutscher Herkunft), die in der Unterkunft auffällig geworden sei. Auffällige beziehungsweise randalierende Personen dürften aber nur bei akuter und konkreter Eigen- oder Fremdgefährdung in dafür vorgesehenen Einrichtungen untergebracht werden. Hinzu komme der nicht zu vernachlässigende grundsätzliche gesetzliche Anspruch auf Obdach für alle wohnungslosen Menschen innerhalb einer Kommune, heißt es aus dem Rathaus.

Wie sie künftig für ein friedlicheres Miteinander der Bewohner und verbesserte Wohnbedingungen sorgen will, dazu macht die Stadt keine konkreten Aussagen, auch von aufgestockter Sozialarbeit ist keine Rede. Immerhin will Bürgermeister Christoph Schultz sich noch in dieser Woche ein persönliches Bild von der Situation in der Unterkunft machen, wie die Stadt mitteilt. Es handele sich um einen Vor-Ort-Termin zur Bewertung und Verbesserung der aktuellen Situation, mit Analysen und Gesprächen mit Bewohnern in vertraulichem Rahmen.

Macht der Bürgermeister verbesserte, menschenwürdige Bedingungen in den Notunterkünften seiner Stadt jetzt zur Chefsache? Das ist zumindest die große Hoffnung jener Menschen, die in der Notunterkunft Hochdahler Straße leben müssen.