Bürger klagen über lautes Glockengeläut

Vor fünf Jahren hat es noch niemanden gestört — heute entzünden sich am Klang der Kirchenglocken die Gemüter. In Haan wurde das Morgengeläut bereits eingestellt.

Foto: Archiv/Anja Tinter

Hilden. Als „Schikane, als „altmodischer Quatsch“ oder als schlichte Lärmbelästigung wird das Läuten von Kirchenglocken in Hilden wahrgenommen. Die Gemeinde St. Jacobus erhält immer öfter Beschwerdemails, deren Absender ein Abstellen des Geläuts fordern — meistens sind es Bürger, die in der Nähe einer Kirche wohnen. „Die Botschaft ist ganz klar und spiegelt unsere Gesellschaft“, sagt Peter Groß, Vorsitzender des Gemeinderates, alle Absender fordern eine individuelle Rücksichtnahme auf ihre privaten Befindlichkeiten.“

Rainer Nieswand, Pfarrer

Sei es, dass die Nachtschicht anstrengend war oder die Party zu fröhlich: Die Beschwerdeführer haben unterschiedliche Gründe. Interessant dabei ist, dass Groß erst in den vergangenen fünf Jahren mehr Beschwerden registriert. „Vor sechs Jahren hat es das noch gar nicht gegeben, jetzt kommen zwei pro Monat, gerne auch mal anonym.“

Eine generelle Handhabe, wie damit umzugehen ist, gibt es beim Erzbistum Köln, dem St. Jacobus angehört, nicht. Dort setzt man auf Vermittlung in den Gemeinden, auf Klärung mit dem Genervten. Man möge sich zusammensetzen und überlegen, was zu tun sei, sagt Bistums-Sprecherin Sarah Meisenberg. Es müsse geklärt werden, welches Läuten konkret störe — weltliches oder geistliches? Morgens oder abends? In schwierigen Fällen werde ein Glockensachverständiger eingeschaltet, der die Dezibel misst. „Im Zweifel stellt die Gemeinde das Geläut dann weniger laut ein.“ Um ein Abschalten könne es aber nicht gehen, sei das Läuten doch teil der Glaubensverkündigung und durch die Religionsfreiheit im Grundgesetz auch legitimiert. Es gelte, einen Kompromiss zu finden.

In Haan sah der Kompromiss vor vielen Jahren so aus, dass das Morgengeläut ersatzlos gestrichen wurde. Seit wann das so ist, weiß selbst Pfarrer Reiner Nieswandt, der für Haan und Hilden zuständig ist, nicht. Er habe die Situation so vorgefunden, als er nach Haan kam. Selbst das Verlegen des Morgengeläuts von ehemals 6 Uhr auf heute 7 Uhr sei direkt unterm Turm wohl immer noch als störend empfunden worden. Ein Gefühl, das Nieswandt sogar verstehen kann: „Menschen in den Städten sind sehr lärmempfindlich“, sagt er. „Viele haben das Gefühl, einfach nirgendwo mehr ein bisschen Ruhe zu haben, zur Ruhe zu finden — und wollen abstellen, was sie als Lärmquellen identifiziert haben.“

Läuten als Lärmquelle? Das kann Peter Groß nicht nachempfinden. „In Zeiten, in denen sich unsere Gesellschaft dem Takt der Smartphones hingibt, tut es mir persönlich weh um jede Kirche, deren Glocken zum Schweigen gebracht werden“, so der Gemeinderat.