Die Flucht lyrisch verarbeitet
Die in Dänemark lebende Milena Rude erhält die Petar-Kocic-Feder.
Hilden. „Poesie ist in Nichtgesagtem, zwischen den Worten und hinter den drei Punkten.“ Mit zarter Stimme liest Milena Rude ihr Gedicht „Poesie“ vor. Hinter der Lesebrille leuchten ihre Augen, ihre Gestik ist emotional. Gerührt und beeindruckt nicken die Besucher. Einige schließen nachdenklich die Augen, um die Worte einzufangen.
Anlass der Lesung im Bürgerhaus ist die Verleihung des Literaturpreises Petar-Kocic-Feder an die wortgewandte Dichterin. Die Auszeichnung für zweisprachige Literatur der gleichnamigen Stiftung, des Jugoslawisch-Deutschen Kulturvereins und des Kulturamts rührt die 53-jährige Rude sehr. Trotz der hohen Auszeichnung beteuert sie: „Ich bin keine professionelle Dichterin.“ Das lyrische Talent mit dem freundlichen Lächeln übt sich in Bescheidenheit. Dabei zeugen ihre Gedichte von hoher Professionalität.
Ihr preisgekröntes, lyrisches Tagebuch „Blinde Irrwege, wobei sie nichts hört“ beschreibt kurze Momentaufnahmen ihres Lebens. Höhen und Tiefen ihres Daseins durchziehen ihre autobiografische Dichtkunst. Darin offenbart sie ihr Leben in Sarajewo im ehemaligen Jugoslawien. Vor 18 Jahren floh sie vor dem Krieg in ihrem Heimatland. Als Flüchtling verließ sie ihre Heimat, um ein neues Leben in Dänemark anzufangen. In ihren zweisprachigen, serbokroatisch-dänischen Gedichten setzt sie sich mit ihrer Situation auseinander.
Die gelernte Architektin entwirft nicht nur ein bauliches Fundament, sie konstruiert auch tragende Verse. Für die Niederschrift ihrer Gedichte hat sich Rude noch nie an einen Schreibtisch gesetzt. „Ich habe dauernd Verse in meinem Kopf. Um ihn frei zu bekommen, muss ich die Verse aufschreiben“, sagt sie.
In ihren lyrischen Werken spielt sie mit Metaphern und Kontrasten. Auch ihre neue dänische Heimat nahe Kopenhagen verarbeitet sie in der Lyrik. Dabei lässt sie keine Kritik am Leben und am Krieg aus.
Neben der Verleihung der Feder stellen Preisträger vergangener Jahre ihre Anthologie „Schritte/Koraci“ vor. Sie ist das Resultat der Beziehung zwischen dem ehemaligen Jugoslawien und Deutschland. Mit Hilfe von Poesie und Prosa verleihen sie der Anthologie ihre eigene, autobiografische Note. „Wir schlagen eine Brücke, die Menschen, Städte und Länder vereint“, sagt Nikola Vukolic, Direktor der Petar-Kocic-Stiftung, stolz. Denn das kulturelle Engagement der ehemaligen jugoslawischen Länder und Deutschlands sei groß.
Deshalb ehren Bürgermeister Horst Thiele und der Direktor der Stiftung nicht nur die Preisträgerin mit dem Literaturpreis. Auch die organisatorischen Kräfte im Hintergrund werden zu Preisträgern: Dragica Schröder, Vorsitzende des Kulturvereins, und Nikola Vukolic erhalten das Hildener Stadtwappen und die Fabricius-Medaille.