Integration in Hilden Flüchtlinge erzählen ihre Geschichte
Hilden · In Afrika sahen sie keine Zukunft: Drei junge Männer berichten, wie sie in Hilden ankamen und welche Perspektiven sie in Deutschland sehen. Sie sprechen von Hoffnung, haben aber auch Zweifel.
Es ist nicht ganz einfach über Flüchtlinge zu berichten, weil immer mehr Menschen nach Deutschland fliehen und untergebracht werden müssen. In einer Sporthalle im Süden von Hilden werden demnächst Menschen auf engstem Raum leben, die aufgrund von Krieg und Not aus ihren Heimatländern geflohen sind.
Diese Problematik betrifft nicht nur Hilden, eine Stadt, in der mittlerweile 850 Flüchtlinge versorgt werden müssen. Gleichzeitig ist es wichtig, darüber zu berichten, wie Integration gelingen kann, wenn Menschen vor Ort hilfsbereit sind, es Ausbildung, Arbeit und Wohnraum gibt. Wir haben uns mit drei jungen Männern, die aus Afrika kamen, über ihre Flucht, Motive und Erfahrungen unterhalten.
In der kleinen Küche der Wohngemeinschaft, in der Alpha Boubacar Diallo und Samba Mara (Name auf seinen Wunsch geändert) leben, werden nach Feierabend Kaffee und Tee und Kekse angeboten. Beide Männer leben seit 2016 in Hilden und kommen aus Guinea. Sie teilen sich eine Wohnung, die ein Hildener ihnen zur Verfügung stellte. Auch Yasser Jaber Mahmoud stammt aus Afrika. Er machte sich aus Eritrea auf den Weg nach Europa.
Fangen wir mit seiner Erzählung an: Yasser ist 23 Jahre alt und arbeitet heute als ausgebildeter Packmitteltechnologe bei einer Firma in Solingen. „Wir machen Briefumschläge und Verpackungslösungen“, erzählt er. Yasser wurde in Keren geboren. Er hat zwei Geschwister, die Mutter war alleinerziehend, der Vater politischer Gefangener. Er sei mit 14 Jahren aus der Heimat geflohen, „weil ich so nicht leben konnte“. Zuhause habe er als Tischler und Schneider für sieben Euro pro Tag gearbeitet, vom Arbeitgeber sei er geprügelt worden.
Er startete seinen Weg nach Norden über Sudan und Ägypten per Anhalter: „In Ägypten war ich aber auch nur Flüchtling.“ Dort konnte er bei einem Onkel Geld verdienen. 700 Dollar kostete die Bootsfahrt nach Italien. Über die Schweiz gelangte Yasser nach Deutschland.
Anschließend konnte er nach einem Deutschkurs durch den Verein „Hand in Hand“ und dem Besuch der internationalen Förderklasse im hiesigen Berufskolleg einen Hauptschulabschluss machen. Es folgte eine Ausbildung in Druck- und Medientechnik in Solingen und am Berufskolleg Köln. Die Abschlussnote war eine Eins. Heute lebt Yasser in einer eigenen Wohnung. Er hat eine Freundin und wünscht sich für die Zukunft eine Familie und die Qualifizierung zum Techniker oder Meister.
Gefragt nach seinen Wünschen antwortet Alpha Boubacar Diallo: „Eine neue Heimat finden.“ Gleichzeitig gäbe es da aber auch Heimweh, räumt der 24-Jährige ein. Er wurde in Mamou geboren. Die Mutter sei früh gestorben, der Vater heiratete eine neue Frau. „In der neuen Familie war ich nicht willkommen.“ Der Junge wurde bei Nachbarn groß und beschloss, mit 15 Jahren abzuhauen. Alpha reiste Richtung Mali, traf am Bahnhof andere junge Leute und reiste gen Norden: „70 Leute auf einem Lastwagen.“ Der fuhr durch Mauretanien, weiter nach Niger, Algerien und Marokko. „Ich habe dann in Algerien als Maurer gearbeitet“, erzählt Alpha.
Seine dunklen Augen werden feucht, als er im gebrochenen Deutsch berichtet, dass von den Mitreisenden seines Bootes, das ihn übers Mittelmeer nach Europa brachte, zehn Menschen ertranken. Auf dem spanischen Festland angekommen, ging es über Granada weiter nach Köln. „Alle meine Freunde wollten nach Deutschland.“ Das sei doch durch den Fußball so bekannt gewesen.
Industriekaufmann und studiert Wirtschaftswissenschaft
Am 29. Mai 2016 wird Alpha nach fast zwei Jahren Flucht erstmalig in Köln registriert und kommt von dort nach Hilden. Er besucht einen Deutschkurs und das Berufskolleg. Eine Geburtsurkunde hat er nicht. Alpha gehörte zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und musste einen Vormund haben. In Hilden sind das meist Mitarbeiter des SKFM oder der Diakonie. Maximal 40 Mündel dürfen solche Paten haben. Ohne asylrechtliche Anerkennung haben Flüchtlinge nur eine Duldung.
Spätestens hier kommt Ludger Reffgen ins Spiel. Der Hildener engagiert sich persönlich. Er besucht mit Alpha die Ausbildungsbörse im Bonhoeffer-Gymnasium. Metallbau interessiert den jungen Afrikaner. Und nach Rücksprache mit der Schule beginnt der junge Mann aus Guinea im August 2017 seine Ausbildung. Seit zwei Jahren ist die nun abgeschlossen und Alpha kann sich heute stolz Metallbauer nennen. Was er in seiner neuen Heimat nicht versteht? „Dass hier so viele Leute mit Null-Bock unterwegs sind.“
Während des Gesprächs ist Samba, sein Mitbewohner in der WG, ein zurückhaltender Zuhörer. Er steht mit verschränkten Armen in der Küche, hat teilweise übersetzt und ergänzt. Er ist großgewachsen, spricht fließend Deutsch und will nicht mit seinem richtigen Namen genannt und auch nicht fotografiert werden. Das hat aber eher nichts mit seiner Herkunft zu tun, sondern mit dem hiesigen Umfeld. Samba wollte seine Heimat als 15-Jähriger aufgrund ethnischer Probleme verlassen. Der 24-Jährige hört im Gespräch kritisch zu, äußert sich wenig. Auch er hat schon 2017 nach 14 Monaten Aufenthalt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begonnen. „Was machst Du hier? War es der Mühe wert?“, fragt er sich heute. Erst in Spanien, in Ceuta habe er entschieden, nach Deutschland zu gehen. Mit dem Ziel, einen deutschen Pass zu bekommen. Die Begegnung mit einer Düsseldorferin gab den Weg vor. Der führte von Spanien über Frankreich und Holland nach Hilden.
Als er im August 2016 auf der Berliner Straße unterwegs war, begegnete er Ludger Reffgen an einer Ampel und kam mit ihm ins Gespräch. Heute arbeitet Samba als Industriekaufmann und studiert Wirtschaftswissenschaft im Abendstudium. Er hat eigene Erkenntnisse gewonnen: „Ich spüre, wie viele von uns sich Mühe geben. Manche haben aber einfach die Fähigkeiten nicht.“ Und dann berichtet ein intelligenter, sportlicher Mann dunkler Hautfarbe, der auch die Trainer-Befähigung für Bambini-Mannschaften in hiesigen Sportvereinen besitzt und sich für Zugewanderte engagiert, davon, dass er aus Angst nicht seinen wahren Namen und sein Gesicht zeigen möchte.