Kultur in Hilden Wenn das Abitur die Lesung verhindert
Hilden · Oskar Seyfert hat im Alter von 15 Jahren ein Buch über die Krankheit seines Vaters geschrieben.
Vorabi statt Museumsbesuch – bei der Lesung von Oskar Seyfert am Samstag im Hildener Wilhelm-Fabry-Museumwurde der Autor von seiner Mutter vertreten. Vor zwei Jahren verlor Katrin Seyfert ihren Mann durch einen epileptischen Anfall, begünstigt durch die Alzheimererkrankung, mit der Matthias Kube seit sechs Jahren lebte. Sie las am Samstag im Fassraum des Museums aus dem Buch, das ihr ältester Sohn Oskar über die Erkrankung seines Vaters schrieb: „Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ lautet der Titel.
Die Diagnose veränderte das Familienleben schleichend
„Er ist um sieben Uhr morgens zu mir in die Küche gekommen und hat gesagt: Mama, ich schreibe jetzt ein Buch.“ Katrin Seyfert, selber Autorin und Journalistin, erklärte dem Publikum, der Autor schreibe in der nächsten Woche sein Vorabitur, weswegen er leider nicht anwesend sein könne. Das Leben von Oskar Seyfert und seiner Familie ist weitergegangen, trotzdem sind ihnen die Lesungen nach wie vor wichtig. Nicht nur Mutter Katrin, sondern sogar ihre jüngste Tochter, die gerade erst 13 Jahre alt ist, hat schon für Oskar übernommen.
Nach der Alzheimerdiagnose hat sich das Leben der Familie Seyfert verändert. Nicht schlagartig, sondern eher schleichend. Die wohl gravierendste Veränderung unmittelbar nach Diagnose war, dass Matthias seinem Beruf als Intensivmediziner und Nephrologe nicht mehr nachgehen durfte. Stattdessen begann er mit dem Schnitzen, frei nach dem Motto: „Wenn man schnitzt, hört man auf zu denken.“ Seine Kunstwerke sind zurzeit im Wilhelm-Fabry-Museum ausgestellt. In Zusammenarbeit mit der Hamburger Fotografin Marianne Moosherr schuf Matthias Kube eine kleine Kollektion von Fotografien seiner Kunstwerke. „Hummer und Sorgen“ heißt die erste Figur, die er nach der Diagnose bearbeitet hatte. Sie ist rot angemalt und hat Murmeln als Augen.
Die Erkrankung des Vaters
war eine harte Prüfung
Aber was ist denn das Privileg, einen kranken Vater zu haben? In seinem Buch beantwortet Oskar Seyfert die Frage und auch Katrin hat ihre eigenen Antworten. Für Oskar war es der gefestigte Zusammenhalt der Familie. „Vorher hatten wir keine Probleme, die Erkrankung meines Vaters war unsere erste richtige Prüfung im Leben“, heißt es in seinem Buch. Für Katrin ist es ein Privileg, dass sie die Kostbarkeit des Lebens zu schätzen gelernt haben. „Bei uns entsteht nie Leere durch Langeweile.“ Wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf. So sind aus Dingen, die während Matthias Erkrankung nicht möglich waren, neue Möglichkeiten entstanden. „Mein Mann hatte eine Vorliebe für schreckliche Deutschschlager“, berichtet Katrin und lächelt bei der Erinnerung. Statt auf Konzerte in großen Stadien zu gehen, kam irgendwann eine kleine Band zu Familie Seyfert nach Hause. „Jedes Mal wenn sie gekommen sind haben sie Schlager gespielt, die Reaktion meiner Kinder können Sie sich vorstellen“, zwinkert Katrin. Die Musiker kommen heute noch zu Familie Seyfert, dann geben sie in Gedenken an Matthias ein Wohnzimmerkonzert, bei dem immer mindestens ein „schrecklicher Schlager“ dabei ist.
Katrin Seyfert möchte das „Tabu, darüber zu sprechen“, was für viele mit dem Thema Alzheimer verbunden ist, bei den Zuhörern auflösen. „Heute Abend haben die Menschen sich getraut, Fragen zu stellen.“ Katrin Seyferts besonderer Dank geht an das Wilhelm-Fabry-Museum. Solche Begegnungsstätten seien wichtig für Menschen wie die, die am Samstagabend Hoffnung aus Katrin Seyferts Lesung gezogen haben.