An der Grundschule Bollenberg Graffiti-Projekt hilft runter von der schiefen Bahn
Haan · 15 Jugendliche verschönern zurzeit mit Wand- und Sprühfarben die Außenfassade der Grundschule Bollenberg. Das Besondere dabei: Sie alle sind mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Noch ist es ruhig auf dem Schulhof der Gemeinschaftsgrundschule Bollenberg an der Robert-Koch-Straße. Rund um die Sporthalle herrscht jedoch geschäftiges Treiben. Das Ergebnis könnte in einer Woche zum Wiederbeginn des Unterrichts für leuchtende Kinderaugen sorgen – wo doch schon Anwohner beim Spazierengehen anerkennende Worte gefunden haben.
„Wir haben Laufkundschaft, die uns gefragt hat, ob wir ihre Hauswand auch so schön machen können“, erzählt Graffiti-Künstlerin Aylin Behringer – und ist gleich wieder gefragt: „Was können wir als Nächstes machen?“, will eine junge Frau wissen, die gerade eben noch mit Unkraut Jäten auf dem Grundstück beschäftigt war.
„Nehmt Euch von der Farbe, wir brauchen noch etwas Orange“, antwortet Behringer. Unter ihrer Anleitung verschönern in dieser Woche 15 Jugendliche mit Wand- und Sprühfarben die zuvor graue und zum Teil von Unbekannten beschmierte Außenfassade. Die leuchtet jetzt blau, violett, gelb und orange. Am Ende wird ein Fußballmotiv die Halle zieren – nachdem bereits deren zum Schulhof gelegene Seite vor zwei Jahren mit Toren und Phantasiewappen versehen worden war – im Rahmen des gleichen Projekts übrigens.
Das organisiert der Verein „Neue Wege“ aus Mettmann Jahr für Jahr in den Sommerferien. Die Teilnehmer sind dabei junge Menschen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren, die straffällig wurden und Arbeitsstunden ableisten müssen, teils nach Gerichtsbeschluss oder im sogenannten Diversionsverfahren, also unter Vermeidung eines Strafprozesses. Körperverletzung und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz seien ebenso unter den Delikten wie Beleidigung, Fahren ohne Führerschein oder massives Schulschwänzen, das nun Sozialstunden nach sich ziehe, berichtet Sozialarbeiter André Duscke.
Sozialpädagogische
Betreuung bei dem Projekt
Ein paar Teilnehmer sehe man zwar nach erneuten Verfehlungen wieder, viele andere bekämen aber die Kurve: „Oft geht es eher um jugendtypische Taten, bei denen man sich einmal daneben benommen hat“, berichtet Duschke. Gerade die sozialpädagogische Begleitung im Rahmen des Arbeitsprojektes sei Gold wert. „Sie ermöglicht es uns, ins Gespräch zu kommen, nachzufragen, was machst du, wie geht es jetzt weiter?“ erklärt der Sozialarbeiter. Bei Arbeitsstunden in anderen Einrichtungen fehle diese Möglichkeit oft.
32 Stunden umfasst die Arbeit an den Projekttagen insgesamt. So müssten manche Teilnehmer die ganze Woche mithelfen, während andere nach einem Tag bereits ihr Pensum erledigt hätten. Diesmal sei die Gruppe mit 15 vergleichsweise groß – und herkunftsmäßig recht breit gefächert: „Sie kommen aus Erkrath, Heiligenhaus, Wülfrath, Mettmann und Haan.“ Bei der Arbeit in der Gruppe lerne jeder, Verantwortung zu übernehmen, sagt Duschke, der das Projekt in Haan gemeinsam mit seinem Kollegen Özkan Aksoy begleitet.
Den Effekt des gemeinsamen Schaffens lobt auch Silvia Böhm, Vorsitzende von „Neue Wege“: „Ich komme immer zu Beginn der Woche und am Ende her, und der Eindruck ist hinterher ein ganz anderer.“ Und Künstlerin Aylin Behringer betont: „Alles läuft sehr gut.“ Auf sie wirkten die Teilnehmer im Grunde wie „ganz normale Jugendliche.“
Untereinander rede man über die persönliche Vorgeschichte, erzählt derweil Tim – und verschweigt auch seine eigene dabei nicht: „Ich habe auf einer Party mit anderen ein Auto aus einer Garage für eine Spritztour entwendet und bin damit verunglückt“, berichtet der junge Mann – und stellt sachlich klar: „Ich weiß, warum ich hier bin.“
Mit dem Abschluss des Projekts, das lässt sich seinen Worten leicht entnehmen, soll das Kapitel, das ihn hierher führte, abgeschlossen sein. „Ich mache meine Ausbildung und bin bald fertig“, erzählt Tim. Um die Arbeitsstunden abzuleisten, habe er sich Urlaub genommen. Später will er sich im Beruf selbstständig machen. Als „Strafe“ im eigentlichen Sinne betrachte er die Tätigkeit auf dem Schulgelände nicht: „Das ist ja so ein bisschen wie im Garten- und Landschaftsbau zu arbeiten“, sagt Tim – und geht sogar noch weiter: „So etwas Schönes zu schaffen, worüber sich die Kinder freuen, wenn sie in die Schule kommen, macht mich glücklich.“