Schlafen für eine gute Nacht
Wer nachts keine Erholung findet, könnte ein Patient für das Schlaflabor am St. Josef Krankenhaus in Haan sein.
Haan. Die Haut spannt. Auf der Stirn, an den Schläfen, hinter den Ohren und am Kinn sind Elektroden mit weißen Pflastern fixiert. Weitere kleben auf dem Kopf, der Brust und an den Beinen, ein Schnarchsensor neben dem Kehlkopf. Der Körper ist verkabelt, an Brust und Bauch umgurtet — und soll gleich einschlafen, zur Diagnose.
„Menschen, die hierherkommen, können damit einschlafen“, sagt Gabi Lorenz-Weierstahl, die im Schlaflabor am St. Josef Krankenhaus in Haan Patienten für die Nacht präpariert. Dass die 55-Jährige dabei einen roten Rollkragenpulli statt eines Kittels trägt, ist Absicht. „Wir wollen keine Krankenhausatmosphäre schaffen“, sagt sie. „Sie können sich normal bewegen. Schlafen Sie gut!“
Von Krankenhaus oder Labor hat der rund 20 Quadratmeter große Raum so gar nichts. „Hotelzimmer“ ist die Assoziation, die durch den Kopf geistert, während der Blick über helle Holzmöbel schweift — ein Bett, ein Tisch, ein Schrank. Dazu ein Fernseher und ein Telefon. Die Matratze ist bequem. Nur die Kamera an der Decke irritiert. Sich zu bewegen, ist in der Tat ganz leicht. Schwer sind nur die Augenlider.
Rund 700 Patienten übernachten pro Jahr im einzigen stationären Schlaflabor des Kreises Mettmann. Jede Nacht sind es fünf. Die gleiche Anzahl Zimmer ist für sie reserviert. Im Nebenraum sitzt die Nachtschwester an Computern — Hirnströme, Herzschläge, Muskelaktivitäten, Atemfluss, Sauerstoffsättigung, Augen- und Beinbewegungen hat sie im Blick.
„In etwa 80 Prozent der Fälle heißt die Diagnose Schlafapnoe“, sagt Schlafmedizinerin Carlotta Reffke, die das Labor seit 2006 leitet und jeden Morgen mit zwei Assistenten bis zu 3000 Bildschirmseiten mit aufgezeichneten Werten analysiert. „Schlafapnoeiker haben eine Verlegung der Atemwege oder eine Verengung im Rachen.“ Die Muskulatur entspannt im Schlaf, bis der Rachen schließt. Die Folge ist Atemstillstand. Der Körper weckt sich selbst.
In Deutschland leiden knapp fünf Prozent der Erwachsenen unter Schlafapnoe. „Ein Patient hatte 100 Atemstörungen pro Stunde, ein anderer einen Atemstillstand von vier Minuten“, sagt Reffke. „Die Schlafqualität sinkt. Der nächtliche Stress macht krank.“ Sekundenschlaf, Kopfschmerzen und mangelnde Konzentration sind tägliche Begleiter, hoher Blutdruck und Herzbeschwerden Langzeitfolgen. Es kann zum Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen.
Doch nicht nur Schlafapnoeiker weisen Fachärzte nach ambulanter Untersuchung ins Haaner Schlaflabor ein. „Wir behandeln die ganze Palette“, sagt Reffke. Neben Menschen, die zum Beispiel unter einer Atempumpenschwäche oder COPD, der sogenannten Raucherbronchitis, leiden, werden solche mit Insomnie und nächtlichen Bewegungs- sowie Verhaltensstörungen behandelt.
„Zudem arbeiten wir eng mit anderen Stationen des Krankenhauses zusammen“, sagt die Schlafmedizinerin. Beispielsweise könnten Patienten, die auf der Intensivstation liegen, vom Schlaflabor aus beobachtet werden.
Wie viele Nächte ein Patient im Labor schläft, entscheidet das Krankheitsbild. Die erste Nacht dient stets der Diagnose. Ab 19.30 Uhr wird verkabelt, Schlafbeginn soll zwischen 22 und 23 Uhr sein. Um 5.30 Uhr ist die Nacht vorbei.
Es folgen Visiten, Besprechungen, Aufmerksamkeitstest — zum Beispiel für Berufsfahrer — und Übungen mit Atemmasken, die Patienten nachts tragen. „Die Maske baut Druck auf und weitet den Rachenraum“, erklärt Reffke.
Es klopft an der Tür. Die Augen öffnen sich. „Sie haben geschlafen“, sagt Gabi Lorenz-Weierstahl mit ruhiger Stimme. Die Verkabelung behindert das Aufrichten kaum. Die Pflaster werden vorsichtig abgezogen, Rückstände am Waschbecken entfernt. Schlafen zur Diagnose ist entspannter als gedacht.