Zwei Jahre nach Hochwasser in Hilden Warum die Flut-Schäden erst jetzt beseitigt werden können

Hilden · Wer durch Hilden schlendert, entdeckt kaum noch Spuren der Flut vom Sommer 2021. Tatsächlich aber haben viele Menschen immer noch mit den Folgen zu kämpfen. In einer Apotheke werden erst jetzt die letzten Schäden beseitigt.

Der Apotheker Jürgen Wunderlich im provisorischen Medikamentenlager: Seit mehr als zwei Jahren kämpft er mit den Folgen der Flut.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Organisiertes Chaos – so lässt sich der Zustand der Schwanen-Apotheke in Hilden derzeit recht treffend beschreiben. In diesen Tagen schweift der Blick über leere Schränke, denn das Mobiliar ist nicht fertig aufgebaut. Hinter der Kasse stapeln sich die Medikamente in schwarzen Plastikregalen wie man sie aus Kellern kennt. Weitere Regale, die mit rund 4000 Schachteln bestückt wurden, befinden sich in den hinteren Räumen des Geschäftes. So sieht es halt aus, wenn modernisiert werden muss, denkt man sich. Doch der Ausnahmezustand hält schon seit mehr als zwei Jahren an. Warum das denn?

Die Probleme beginnen mit der Flutkatastrophe im Juli 2021. Der Keller der Apotheke ist nach dem großen Regen bis zur Decke mit Wasser vollgelaufen, das langsam in die daruntergelegene Tiefgarage läuft. Im Erdgeschoss hat sich eine zwei Zentimeter hohe Schlammschicht auf dem Boden verteilt, mit allem „was die Itter so mit sich bringt“, erinnert sich Apotheken-Inhaber Dr. Jürgen Wunderlich.

Der Schaden dürfte höher
als 300 000 Euro liegen

Laut Gutachter entstand durch die Flut ein Schaden in Höhe von 300 000 Euro. Tatsächlich dürften es nicht zuletzt auch durch die langfristigen Folgen der Katastrophe weitere 100 000 Euro gewesen sein, schätzt der Apotheker. „Auf einem Teil der Kosten werde ich sicherlich sitzenbleiben.“ Der Zeitpunkt im Hochsommer hätte kaum ungünstiger sein können, denn die Medikamente für die typischen Erkrankungen im Herbst und Winter werden Monate vorher eingekauft und lagerten bereits im Keller.

Als er den zerstörten Laden das erste Mal betrat, sei er innerlich auf den Anblick vorbereitet gewesen, so Wunderlich. Gummistiefel, Schaufel und Schrubber brachte er mit. „Ich hatte vorher ein Video von der vollgelaufenen Tiefgarage am Nove-Mesto-Platz gesehen und ahnte, was mich erwarten würde.“ Seine Mitarbeiter standen vor dem Eingang, da sie Sorgen hatten, dass der Laden buchstäblich unter Strom stand – auch deshalb habe er die Gummistiefel dabeigehabt.

Und dann begann über mehrere Tage das Ausräumen und das Saubermachen, denn der Betrieb sollte auch unter diesen Umständen möglichst schnell weiterlaufen. Schon am Montag nach der Flut öffnete die Apotheke zwischen den aufgebauten Regalen mit mindestens 1000 Medikamentenschachteln weniger. Glück im Unglück: Die EDV war weitestgehend verschont geblieben.

Für alle nun anstehenden Probleme brauchte es allerdings weder Schrubber noch Gummistiefel, sondern vor allem Geduld und gute Nerven. Die Herausforderungen der folgenden Monate sind auch ein Sinnbild für die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht. Behördliche Auflagen, Lieferengpässe und Arbeitskräftemangel spielen tragende Rollen…

Die Idee, die Geschäfte in einen Container auszulagern, verwarf Wunderlich. Die geeignete Fläche dafür wäre ein Parkplatz gewesen, der keinen Verbund mit dem Gebäude bildet, in dem sich die Apotheke befindet. Es hätte also zwei Bauanträge geben müssen, sagt Wunderlich, einen für den Umzug in den Container und einen weiteren für den späteren Umzug zurück in die alten Räumlichkeiten. Aus Gesprächen mit anderen Geschäftsleuten weiß Wunderlich, dass zwei bis drei Monate Wartezeit für die Bewilligung eines Antrages nicht unüblich sind. Für den provisorischen Standort hätte auch die Deutsche Wohnen ihr Okay geben müssen. Zwei Monate dauerte es, bis er den richtigen Ansprechpartner gefunden hatte, zwei weitere bis zum Nein.

Immer wieder bremsen Wartezeiten den Zeitplan aus

Warten musste Wunderlich schon am Anfang des Ausnahmezustandes auf den Gutachter der Versicherung. Die zuständigen Experten seien zunächst in Gegenden wie dem Ahrtal beschäftigt gewesen. Warten musste der Apotheker auch auf die von der Versicherung ausgewählte Firma, die die Schäden im Haus an der Schwanenstraße beseitigen sollte. Und da bei einer solch großen und teuren Katastrophe durchaus mehrere Versicherungen für die Schäden aufkommen müssen und jede so wenig wie möglich zahlen möchte, brauchte es für die Korrespondenz zwischen allen Beteiligten, nun ja... etwas Zeit und Geduld.

In diesem Sommer, fast zwei Jahre nach der Flut, konnte mit der Sanierung der Apotheke begonnen werden. Bis Mitte September soll die Arbeit erledigt sein, danach erhalten die Medikamentenschachteln den Platz in den noch nicht fertig gebauten Schränken. Dann folgen Restarbeiten.

Tatsächlich konnten viele Arbeiten in den vergangenen Monaten nicht termingerecht durchgeführt werden, weil Material nicht zu bekommen war. Laut Wunderlich handelte es sich dabei unter anderem um Holzteile und Schaltkomponenten. Mal stockten die Arbeiten, weil Handwerker nicht auftauchten. So konnten Folgearbeiten nicht durchgeführt werden. Die Anfahrt dieser Handwerker habe er dann aus eigener Tasche bezahlen müssen, so Wunderlich.

Zwischenzeitlich sei die Lage existenzbedrohend gewesen, sagt der Apotheker im Rückblick. „Aber man muss einfach mit Mut und Zuversicht voranschreiten“, sagt der frühere Leistungsschwimmer, der schon beim Kachelzählen im Becken Ausdauer bewiesen haben dürfte. Jetzt haben Wunderlich und seine Mitarbeiter das Finish vor Augen.