Windeln zum Latte Macchiato
Der Sandstrand des Haaner Sommers auf dem Neuen Markt ist Schauplatz für Erziehungsfragen und kleine Konflikte.
Haan. Es ist ein bisschen wie Cluburlaub auf Mallorca für die Kinder. Es gibt keinen Pool, dafür aber einen Brunnen. Der ist nicht sonderlich schön, aber fürs Urlaubs-Gefühl tut er es auch zur Not. Immerhin ist das Wasser nicht so schrecklich salzig. Ein paar Schritte weiter dann der Sandstrand. Begrenzt ist er nicht von brandenden Wellen, sondern durch gefüllte Säcke. Ein übergroßer Sandkasten unter strahlend blauem Himmel.
60 minuten
„Ja, das ist automatisch so, dass man ruhiger wird — sonst kriegt man einen Nervenzusammenbruch“, sagt die eine Frau. Die andere nickt zustimmend, da hat ihr offenbar gerade jemand aus der Seele gesprochen. Es geht, natürlich, um Kinder. Die beiden Mütter sitzen auf einer Bierbank am Rand des Strands und unterhalten sich. Einen Latte Macchiato in der Hand und den Kinderbuggy neben sich geparkt.
Ihr Gespräch wird unterbrochen, ein kleines Mädchen kommt aus Richtung Brunnen gelaufen. „Mama, ich bin nass geworden.“ „Ja, das ist jetzt klasse Julia, und was machen wir nun?“ Schulterzucken. Dann wird zusammengepackt. Die andere Frau bricht mit ihren Söhnen auf. „Sagst du noch ’Tschüss’, Tom?“. Der blonde Junge dreht sich verlegen weg. „Mit Hingehen und Angucken“, zischt die Mutter. Tom leistet Folge und trottet zu Julia. Am Nachmittag wollen sie gemeinsam schwimmen gehen.
Schräg hinter den beiden Müttern sitzt die Oma von Justin. Ein Ehepaar bleibt vor ihr stehen. Aus den schwarzen Sandalen des Mannes lugen rote Socken hervor. „Ist doch schön hier, da können die Kinder endlich mal spielen“, sagt er. „Wat soll ich mit denen auch zu Hause rumsitzen, hier sind sie beschäftigt — und die Wohnung bleibt sauber“, entgegnet die pragmatische Großmutter. Während die Drei noch ein paar Höflichkeitsfloskeln austauschen, buddelt sich ein Junge in roter Unterhose auf dem Volley- ballfeld im Sand ein. Völlig in Gedanken versunken, schaufelt er mit den Händen Sand in seinen Schoß. Nach drei Ladungen wird der Sand jeweils sorgfältig festgeklopft.
Neben ihm steht ein Mädchen, dass gerade so laufen kann. Ihr scheint warm zu sein. Nach einigen Handgriffen hat sie es dann geschafft und präsentiert ihrer Mutter mit dem Kommentar „Bäh“ die Windel, die sie sich gerade ausgezogen hat — und erntet Lacher der Frauengruppe: „Guck mal, süß ne?“ Während ihre Mutter das lästige Ding entsorgt, ruft sie dem Mädchen hinterher: „Aber nicht da hinmachen! Da sagst du der Mama Bescheid, ne.“
Im Inneren des Sandkastens im Großformat geht es schon längst nicht mehr um Niedlichkeiten. Es geht um Vergeltung. Zwei Jungs buddeln im Sand, als plötzlich ein Dritter von hinten kommt und einem der beiden eine Ladung Sand ins T-Shirt kippt. Entsetzt blickt das Opfer den Angreifer an, der ruft: „Das hast du bei mir auch gemacht.“